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Gromek - Die Moral des Toetens

Gromek - Die Moral des Toetens

Titel: Gromek - Die Moral des Toetens
Autoren: Michael Lutz
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Bundesinnenministers:
    »Schon seit vielen Jahren ist das jeden Sommer hier in Brüssel
stattfindende Treffen der europäischen Innenminister fester Bestandteil einer
länderübergreifenden Sicherheitspolitik. Themen der zweitägigen Konferenz werden
diesmal vor allem das Problem der organisierten Kriminalität und die nach wie
vor zunehmende Computer- und Wirtschafts-Spionage sein ...«
    Dr. Hubertus Steinhammer stieg entspannt aus seinem Wagen. Soeben
hatte die eilfertige Hand eines Sicherheitsbeamten die Tür geöffnet. Ein junger
Mann in scharlachroter Livree und einem weißen Hemd, das für diesen
ungemütlichen Juli-Tag zu dünn war, hielt einen Regenschirm bereit.
    Synchron strebten Bundesinnenminister Steinhammer und der
Livrierte den matt glänzenden Glastüren des Verwaltungskomplexes entgegen. Der
Journalistenpulk, der sich vor dem Gebäude versammelt hatte, gab einen
Durchgang für den Minister frei, der sich hinter ihm nahtlos wieder schloss.
Auf die Fragen, die ihm die Reporter entgegenriefen, reagierte Innenminister Steinhammer
mit einem beschwichtigenden »Später, meine Damen und Herren, später.«
    Die beiden Referenten, die mit ihm ausgestiegen waren, beachtete
niemand. Für sie gab es keine eilfertige Hand, die sie vor dem stärker werdenden
Regen schützte. Stattdessen wurden sie von einem grippegeplagten
Protokollbeamten unfreundlich angewiesen, sich zu beeilen, um Platz für das
nächste Fahrzeug zu schaffen. Hastig holten die Referenten ihre Trenchcoats
aus dem Kofferraum und zogen sie über.
    Ohne darauf zu achten, dass einer der beiden Referenten sich gerade
im linken Ärmel verheddert hatte, reichte der Chauffeur des Innenministers
diesem mit wichtigtuerischer Miene die Aktentasche seines Dienstherren. Der
zweite Referent heftete sich unterdessen wie selbstverständlich an Steinhammers
Fersen und überließ es seinem Kollegen, dem Minister die Tasche hinterher zu schleppen.
    Im Hauptgebäude der Europäischen Union herrschte eine wohltuende,
gedämpfte Ruhe. Niemand sprach ein lautes Wort. Referent Stephan Freiherr von
Hohenfels-Selm, dem die Rolle des Gepäckträgers überhaupt nicht lag, stieß erst
an der Garderobe wieder auf den Minister. Für den Bruchteil eines Augenblicks
musterte er dabei den wohlgeformten Rücken einer farbigen Garderobiere aus
Ghana. Ein Hauch von Parfüm lag in der Luft, den Freiherr von Hohenfels-Selms
Nase als angenehm herb empfand. Augenblicklich fühlte er sich in die Weite der ostafrikanischen
Steppe versetzt. Als er seinen Trenchcoat über die Theke reichte, achtete er
darauf, dass seine Hand die der Garderobiere berührte. Ihre Haut war weich und
trocken und angenehm warm.
    Nur widerwillig wandte sich Stephan Freiherr von Hohenfels-Selm
von dem Geschöpf auf der anderen Seite der Theke ab und seinem Chef zu.
Enttäuscht registrierte er, dass ihre tiefgründigen schwarzen Augen ihn nicht
einmal angesehen hatten. Den plötzlichen Anblick der weitaus weniger anregenden
Augen von Innenminister Dr. Hubertus Steinhammer, die ihn ungeduldig fixierten,
riss Freiherr von Hohenfels-Selm aus seiner Träumerei. Sofort senkte er den
Blick und reichte seinem Minister einen verschweißten Sicherheitsausweis mit
schwarzweißem Passfoto, den zum mühsam unterdrückten Ärger seines Kollegen er
verwahrte.
    Als Innenminister Steinhammer mit der Ansteckvorrichtung des
Sicherheitsausweises nicht zurechtkam und ungeschickt an seinem Revers
nestelte, half sein Kollege, Sohn eines begüterten Börsenmaklers aus dem
Schleswig-Holsteinischen, mit sichtlicher Genugtuung aus. »Diese Runde ist an
mich gegangen«, glaubte Freiherr von Hohenfels-Selm in den triumphierend
aufblitzenden Augen seines heimlichen Rivalen lesen zu können.
    Ohne Umwege begab sich der Innenminister zu einem Konferenzraum im
dritten Stock. Dort standen und saßen weit über 100 in erste, belanglose
Diskussionen verwickelte europäische Spitzenbeamte. Um sie herum ein Heer von
Beratern, mittleren Beamten, Referenten und Assistenten.
    Am Portal des Konferenzsaals, das von zwei hochgewachsenen
Saaldienern bewacht wurde, stellte Stephan Freiherr von Hohenfels-Selm die
Aktentasche des Innenministers ab und wandte sich mit einem Lächeln, das eine
Spur zu breit war, seinem Kollegen zu. Dessen Verwunderung schlug schnell in Misstrauen
um.
    »Entschuldige, alter Junge. Aber wenn ich jetzt nicht telefonieren
gehe, wird der heutige Abend mehr als langweilig. Dafür hast Du doch sicher
Verständnis. Ich bin sofort
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