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Grimwood, Ken - Replay

Grimwood, Ken - Replay

Titel: Grimwood, Ken - Replay
Autoren: Das zweite Spiel
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Fahne, auf der in aus den Stars and Stripes gebildeten Buchstaben ›NIEDER MIT DEM KOMMUNISMUS‹ zu lesen war. Jeff grinste, als er das sah; er hatte genau so eine bei Paul Krassners ehemals schockierendem kleinem Käseblatt Der Realist bestellt, als er auf dem College war, als…
    Er setzte sich jäh aufrecht, mit in den Ohren klingendem Pulsschlag.
    Diese alte Lampe mit dem Schwanenhals auf dem Schreibtisch nahe der Tür hatte sich stets von ihrem Sockel gelöst, wann immer er sie bewegt hatte, erinnerte er sich. Und der kleine Teppich vor Martins Bett hatte einen großen blutroten Fleck – ja, genau da – von dem Mal, als Jeff mit Judy Gordon nach oben geschlichen war und sie zu den Drifters im Zimmer herumgetanzt und eine Flasche Chianti umgeworfen hatte.
    Die unbestimmte Verwirrung, die Jeff beim Erwachen empfunden hatte, machte wachsender Verblüffung Platz. Er warf die Zudecke ab, stieg aus dem Bett und ging unsicher zu einem der Schreibtische. Zu seinem Schreibtisch. Er musterte die dort aufgestapelten Bücher: Kulturelle Gesetzmäßigkeiten, Jugend in Samoa, Bevölkerungsstatistik. Soziologie 101. Dr. … wer? Danforth, Sanborn? In einem großen, muffigen Saal irgendwo auf der anderen Seite des Campus gab es um 8 Uhr morgens nach der ersten Vorlesung immer Frühstück. Er hob das Benedict-Buch auf, blätterte es durch; mehrere Abschnitte waren dick unterstrichen, mit Randbemerkungen in seiner eigenen Handschrift.
    »…der WQXI-Hit der Woche, von den Crystals! Das nächste Stück ist jetzt für Bobby in Marietta, von Carol und Paula. Diese reizenden Mädels wollen Bobby Bescheid geben, genau wie die Chiffons glauben sie: ›He’s Soooo Fine…‹«
    Jeff schaltete das Radio aus und wischte sich einen Schweißfilm von der Stirn. Er bemerkte voller Unbehagen, daß er eine ausgewachsene Erektion hatte. Wie lange war es her, daß er so hart geworden war, ohne daß er an Sex auch nur gedacht hatte?
    Also schön, es war an der Zeit, sich Klarheit zu verschaffen. Irgend jemand mußte ihm einen außergewöhnlich ausgeklügelten Streich spielen, aber er kannte keinen, der solch grobe Scherze machte. Selbst wenn er einen gekannt hätte, wie konnte sich jemand solche Mühe gemacht haben? Diese Bücher mit seinen Notizen darin waren vor Jahren weggeworfen worden, und niemand konnte sie so genau nachgemacht haben.
    Auf seinem Schreibtisch lag eine Ausgabe von Newsweek mit einer Titelstory über den Rücktritt des westdeutschen Kanzlers Konrad Adenauer. Die Ausgabe datierte vom 6. Mai 1963. Jeff blickte starr auf die Ziffern, in der Hoffnung, daß ihm eine rationale Erklärung für all das einfallen würde.
    Es fiel ihm keine ein.
    Die Zimmertür schwang auf, und der Innenknopf schlug gegen ein Bücherregal. So wie er es immer getan hatte.
    »Hey, was zum Teufel machst du noch hier? Es ist viertel vor elf. Ich dachte, du hättest um zehn eine Prüfung in amerikanischer Literatur.«
    Martin stand im Türrahmen, in der einen Hand eine Coke und in der anderen eine Ladung Lehrbücher. Martin Bailey, Jeffs Erstsemester-Zimmergenosse; sein bester Freund während der Collegezeit und während mehrerer Jahre danach.
    Martin hatte sich 1981 umgebracht, unmittelbar nach seiner Scheidung und dem darauffolgenden Bankrott.
    »Was willst du also machen«, fragte Martin, »dir ein Ungenügend geben lassen?«
    Jeff blickte seinen längst toten Freund wie betäubt an: das dichte schwarze Haar, das noch nicht begonnen hatte zurückzuweichen, das faltenlose Gesicht, die hellen, jugendlichen Augen, die noch keinen nennenswerten Schmerz gesehen hatten.
    »Hey, was ist los? Bist du okay, Jeff?« »Ich… fühle mich nicht besonders.«
    Martin lachte und warf die Bücher auf sein Bett. »Was du nicht sagst! Jetzt weiß ich, warum mich mein Dad davor gewarnt hat, Scotch und Bourbon zu mixen. Hey, das war ja ein richtiges Schätzchen, daß du letzte Nacht bei Manuel aufgerissen hast; Judy hätte dich umgebracht, wenn sie dagewesen wäre. Wie heißt sie?«
    »Ähh…«
    »Komm schon, so betrunken warst du nicht. Willst du sie anrufen?«
    Jeff wandte sich mit wachsender Panik ab. Es gab tausend Dinge, die er Martin sagen wollte, aber nichts würde mehr Sinn ergeben als diese verrückte Situation an sich.
    »Was ist los, Mann? Du siehst richtig daneben aus.« »Ich… äh, ich muß raus. Ich brauche etwas frische Luft.« Martin runzelte verwundert die Stirn. »Yeah, ich schätze, ja.«
    Jeff schnappte sich eine Baumwollhose, die achtlos über
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