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Grimwood, Ken - Replay

Grimwood, Ken - Replay

Titel: Grimwood, Ken - Replay
Autoren: Das zweite Spiel
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den Stuhl vor seinem Schreibtisch geworfen war, dann öffnete er den Schrank neben seinem Bett und entdeckte ein indisches Hemd und eine Cordjacke.
    »Geh zur Krankenstube«, sagte Martin. »Erzähl ihnen, du hättest die Grippe. Vielleicht läßt Garrett dich die Prüfung nachschreiben.«
    »Ja, sicher.« Jeff zog sich rasch an, schlüpfte in ein Paar Korduanschuhe. Er stand auf der Schwelle zur Hyperventilation, und er zwang sich, langsam zu atmen.
    »Denk an die Birds heute abend, okay? Paula und Judy wollen sich mit uns um sieben bei Dooley’s treffen; wir wollen erst noch einen Happen essen.« »Richtig. Bis dann.« Jeff trat auf den Korridor und schloß hinter sich die Tür. Erfand die Treppe und rannte drei Stockwerke hinunter, mechanisch mit einem »Hey!« antwortend, wenn einer der jungen Männer, an denen er vorbeikam, seinen Namen rief.
    Die Eingangshalle war so, wie er sie in Erinnerung hatte: das Fernsehzimmer rechts, jetzt leer, abends immer überfüllt bei Sportübertragungen und Raketenstarts; eine Traube von kichernden Mädchen, die am Fuß der Treppe, die sie nicht hinaufgehen durften, auf ihre Boyfriends warteten; Coke-Automaten gegenüber dem Schwarzen Brett, wo Studenten Zettel anklebten, auf denen sie Wagen suchten oder anboten, Zimmer, Fahrten nach Macon oder Savannah oder Florida.
    Draußen stand der Hartriegel in voller Blüte und durchflutete den Campus mit einem rosa und weißen Leuchten, das von dem sauberen weißen Marmor der würdevollen griechisch-römischen Gebäude reflektiert zu werden schien. Es war Emory, daran gab es keinen Zweifel: die gekünsteltste Anstrengung des Südens, eine Universität im Stil der klassischen Ivy League zu erschaffen, eine Universität, welche die Region ihr eigen nennen konnte. Die gewollt zeitlose Architektur war verwirrend; während er durch den viereckigen Innenhof joggte, an der Bücherei und der juristischen Fakultät vorbei, erkannte Jeff, daß es ebensogut 1988 wie 1963 sein konnte. Es gab keine bestimmten Hinweise, nicht einmal in der Kleidung und den Haarschnitten der Studenten, die auf den Grasflächen dahinschlenderten. Die Jugendmode der Achtziger war, vom postapokalyptischen Punklook abgesehen, von der seiner frühen Collegetage praktisch nicht zu unterscheiden.
    Gott, die Zeit, die er auf diesem Campus verbracht hatte, die Träume, die hier ausgebrütet worden waren und sich niemals erfüllt hatten… Dort war diese kleine Brücke, die zur Konfessionsschule führte; wie oft war er dort mit Judy Gordon entlangspaziert? Und dort drüben, hinten am Psychologiegebäude, dort hatte er sich in seinem vorletzten Studienjahr fast jeden Tag mit Gail Benson zum Lunch getroffen: seine erste und letzte wahrhaft platonische Freundschaft mit einer Frau. Warum hatte er von der Bekanntschaft mit Gail nicht mehr gelernt? Warum hatte er sich, in so vieler Hinsicht, so weit von den Plänen und Ambitionen entfernt, die in der besänftigenden Ruhe dieser grünen Wiesen, dieser prächtigen Gebäude geboren worden waren?
    Als Jeff zum Haupteingang des Campus gelangte, war er über eine Meile gelaufen, und er erwartete, außer Atem zu sein, doch er war es nicht. Er stand auf der niedrigen Erhöhung unterhalb der Glen Memorial Church und blickte auf die North Decatur Road und Emory Village hinab, das kleine Geschäftsviertel, das den Campus versorgte.
    Die Reihe der Bekleidungs- und Buchläden wirkte mehr oder minder vertraut. Besonders eine Stelle, Horton’s Drugs, rief einen Schwarm von Erinnerungen wach: Im Geiste sah er die Magazinständer, den langen weißen Siphon, die rotledernen Sitzecken mit den einzelnen Stereo-Jukeboxen. Er sah Judy Gordons frisches junges Gesicht auf der anderen Tischseite in einer dieser Sitznischen, roch ihr sauberes blondes Haar.
    Er schüttelte den Kopf und konzentrierte sich auf die Szenerie vor sich. Wiederum konnte er nicht mit Sicherheit sagen, welches Jahr es war; er war seit einer Konferenz von Associated Press über Terrorismus und die Medien im Jahre 1983 nicht mehr in Atlanta gewesen, und er hatte den Campus von Emory nicht mehr besucht, seit… Herrgott, bestimmt seit dem ersten oder zweiten Jahr nach seinem Studienabschluß nicht mehr. Er hatte keine Möglichkeit festzustellen, ob all diese Läden dort die gleichen geblieben oder durch Hochhäuser ersetzt worden waren, vielleicht durch eine Mall.
    Die Autos waren eine Sache für sich; jetzt, wo er darauf achtete, erkannte er, daß unten auf der Straße kein einziger
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