Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gretchen

Titel: Gretchen
Autoren: Chelsea Cain
Vom Netzwerk:
Gesicht verändert sich etwas – ein winziges Anheben der Augenbrauen, eine kleine Furche zwischen ihnen. Sie presst die Lippen fast nicht wahrnehmbar aufeinander.
    »Sie ist etwas Besonderes«, sagt Gretchen. »Sie wird ein Hauptpreis sein. Ich erzähle dir von ihr, Liebling. Aber erst wenn du bereit bist.«
    Archie setzt sich ein wenig auf. Gretchens Gesicht ist wieder die heitere Maske wie zuvor. Doch für einen Moment hat er durch sie hindurchgesehen.
    Sie hat ihn manipuliert, mit ihm gespielt, ihn gefoltert, aber dabei hat sie ihm erlaubt, sie zu sehen. Er kennt sie – zumindest einen kleinen Teil von ihr. Und es könnte genügen, um einen Vorteil daraus zu ziehen.
    »Matthew Fowler«, sagt Archie.
    Gretchen lächelt. »Ihr habt es als gläsernen Stab bezeichnet«, sagt sie. »Es war ein Rührstäbchen für Cocktails.« Sie hebt eine Hand und lässt einen Finger in der Luft kreisen. »Ich habe ein Rührstäbchen in Matthew Fowlers Harnröhre geschoben.« Sie blickt ins Leere, ein leichtes Lächeln im Gesicht, als würde sie eine liebenswerte Erinnerung heraufbeschwören. »Es hat fast eine halbe Stunde gedauert. Ich musste sehr feinfühlig arbeiten, sehr präzise. Nachdem das Stäbchen vollständig eingeführt war, habe ich die Hand um den Schaft geschlossen und es zerbrochen.« Sie schließt die Hand zur Faust. »Ich habe immer weiter gedrückt. Ich konnte spüren, wie der Stab in ihm zerbröselte.« Sie öffnet ihre Hand, und ihr Lächeln wird breiter. »Sofort kam dieses Blut voller winziger Glassplitter vorn aus seinem Schwanz herausgelaufen.«
    Archie greift in seine Tasche und holt seine neue Pillendose heraus. Er schüttet sich ein paar Tabletten in die Hand und schluckt sie.
    Sie blickt auf. »Soll ich fortfahren?«, fragt sie.
    »Ich höre«, sagt er.

_ 63 _
    Das Haus in der North Fargo Street lag im Dunkeln. Es gab zwei Straßenlaternen in dem Block, an jeder Ecke eine. Das leer stehende Haus stand in der Mitte des Blocks, mit zwei unbebauten Grundstücken auf beiden Seiten und einem neuen Schild im Garten: ZU VERKAUFEN. Eine Werbefirma hatte eine Werbetafel auf dem Grundstück ganz links, in Richtung der Freeway-Ausfahrt aufgestellt. Darauf war das Bild einer joggenden Frau geklebt. SPORT KANN IHR LEBEN RETTEN lautete der Slogan darunter.
    »Zwölfhundert Menschen sterben jeden Monat beim Joggen«, sagte Susan.
    Archie hatte Henrys Waffe im Schoß. Das Haus war von Absperrband an Holzpflöcken umgeben. Die Eingangstür war sicherlich mit weiterem Absperrband versiegelt. Archie konnte es allerdings nicht sehen, es war zu dunkel.
    »Wie sind Sie beim ersten Mal hineingekommen?«, fragte er.
    »Durch ein eingeschlagenes Kellerfenster«, sagte Susan.
    Er sah sie stirnrunzelnd an.
    »Ich war es nicht«, sagte sie.
    »Zeigen Sie es mir.«
    Sie stiegen aus dem Wagen. Susans Saab war das einzige Auto in der Straße. Archie hielt die Waffe seitlich am Körper, aber er entsicherte sie. Sie war da drin. Er konnte sie spüren.
    Susan dirigierte ihn die mit Moos bewachsenen Betonstufen hinauf und durch den verwilderten Garten zur Seite des Hauses. Obwohl er sie führen ließ, blieb er immer einen halben Schritt voraus, mit einem ausgestreckten Arm vor ihrem Körper, als würde dieser kleine Versuch, sie zu schützen, im Ernstfall etwas bewirken.
    Sie kamen zu dem Fenster. Es war frisch mit Sperrholz abgedeckt worden. Archie sank in der weichen Erde vor dem Fenster auf die Knie.
    Die Sperrholzplatte war festgeschraubt, unmöglich aufzustemmen. Wahrscheinlich hatte man alle Fenster verstärkt, und vor der Haustür hing sicherlich ein Vorhängeschloss.
    »Moment«, sagte Susan. Sie kniete sich neben ihn, wühlte in ihrer Tasche und zog ein Schweizermesser hervor. Dann klappte sie den Schraubenzieher heraus und machte sich daran, die Schrauben herauszudrehen, mit denen die Sperrholzplatte befestigt war.
    Archie staunte, wie rasch sie die Schrauben löste und dann die Platte zur Seite hob.
    Susans Gesicht war plötzlich in Farbe getaucht, und ihr Haar leuchtete purpurn. In dem Keller brannte Licht. Archie schob Susan links neben das Fenster, wo sie niemand mehr sehen konnte, und hielt das Sperrholz wieder vor die Öffnung.
    »Sie ist hier«, flüsterte Susan im Dunkeln.
    Archie streckte die Hand aus und legte ihr den Zeigefinger auf die Lippen.
    Er wartete kurz, bis sich sein Herzschlag verlangsamt hatte. Dann entfernte er das Sperrholz wieder und spähte in das Fenster. Er konnte zerbrochenes Glas auf dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher