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Gretchen

Titel: Gretchen
Autoren: Chelsea Cain
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vor Gericht kommen lassen?«, sagte sie, weiter auf das Skalpell konzentriert. »Er hätte Jeremy töten lassen. Auf der Straße. Im Gefängnis. Er hätte einen Weg gefunden. Denn wäre Jeremy wegen mehrfachen Mordes vor Gericht gestellt worden, hätte das einige Fragen nach Jack Reynolds Geschäften aufgeworfen.« Sie hob das Skalpell und zog es an Jeremys Herznarbe entlang. »Jeremy ist so oder so tot. Das weißt du.«
    »Nur zu«, sagte Archie. »Töte ihn. Ich bin nicht hier, um ihn zu retten. Ich bin wegen dir hier.«
    Jeremy begann zu schluchzen, der Gummiball in seinem Mund hüpfte auf und ab, glitschig vor Speichel.
    Gretchen musterte Archie. »Willst du wieder versuchen, mich zu erwürgen?«
    Er konnte sie erschießen. Aber sie hatte ein Skalpell in der Hand, und sie würde Jeremy erledigen, wenn sie es konnte. Und irgendwo hinter ihm war Susan. Er wollte keinen Querschläger riskieren. Noch nicht.
    Archie strich mit der Hand über Jeremys von Blut und Schweiß verfilztes Haar. »Er hat mir erzählt, dass er davon fantasiert, wir zwei wären zusammen«, sagte er zu Gretchen. »Er stellt sich gern vor, wie ich es mit dir treibe und dir dabei wehtue.«
    »Tja, er ist wirklich ein Psychopath«, sagte Gretchen. Sie schälte ein Stück Narbengewebe von der Herznarbe und warf es auf den Boden.
    Archie kauerte sich nieder, sodass sein Gesicht auf derselben Höhe war wie Jeremys. »Eigentlich war es eine richtige Eingebung, Jeremy«, sagte er. Jeremy drehte den Kopf zu Archie, ein schwarzer Ball statt eines Munds, blutige Krater statt Augen. »Wir hatten tatsächlich eine Affäre«, fuhr Archie fort. »Bevor ich wusste, wer sie ist.« Es tat gut, es jemandem zu erzählen, es auszusprechen. »Zwei Wochen. So lange hat es gedauert. Sie ist mit ihrem gefälschten Psychiatriediplom aufgetaucht und hat uns Hilfe bei dem Fall angeboten.« Archie schüttelte langsam den Kopf und verzog den Mund zu einem finsteren Lächeln. »Fünfzehn Jahre ein treuer Ehemann, und dann hielt ich zwei Wochen durch, ehe ich keuchend in Gretchen Lowells Arme fiel.«
    »Ich bin der beste Fick, den du je hattest, Liebling«, sagte Gretchen mit zuckersüßer Stimme.
    »Unbestreitbar«, sagte Archie. Er fragte sich, wo Susan war und ob sie ihn hören konnte.
    Jeremy kaute an seinem Knebel und stieß den Kopf um Hilfe flehend an Archie. Hatte Isabel so um Hilfe gefleht? Hatte sie ihren Bruder um Gnade gebeten?
    »Jedenfalls«, fuhr Archie fort, »war unsere Affäre gerade mal einen Monat alt, da betäubt sie mich, bringt mich in einen Keller wie diesen hier und foltert mich.« Er stellte sich Susan vor, wie sie hinter ihm im Halbdunkel lauschte. »Ich habe es verdient. Ich habe meine Familie betrogen. Und selbst als man mich aus dem Krankenhaus entlassen hatte und sie im Gefängnis war, konnte ich an nichts anderes denken als an sie.« Archie beugte sich vor, sein Mund war nur Zentimeter von Jeremys Ohr entfernt. »Ich allein, im Bett, und ich dachte daran, wie sehr ich Gretchen wieder ficken wollte.« Er hob den Blick zu Gretchen. »Ich habe mich immer gefragt, warum sie es getan hat. Warum zu diesem Zeitpunkt. Welchen Plan sie für mich hatte.«
    Gretchen stand reglos da, das Skalpell in der Hand.
    Er lachte. Er hörte sich an wie ein Verrückter. Vielleicht war er verrückt.
    Archie brachte seinen Mund wieder an Jeremys Ohr. »Und jetzt kommt’s«, sagte er laut flüsternd. »Ich glaube, sie hatte keinen.« Er sah zu Gretchen hinauf. »Ich glaube, sie hat sich zu ihrer eigenen Unterhaltung in die Ermittlung geschlichen. Ich glaube, die Affäre ist einfach passiert. Lange Zeit dachte ich, dass sie mich gefoltert hat, weil ich der Leiter ihrer Task Force war, um aller Welt zu zeigen, dass sie allmächtig ist. Aber ich glaube, das war es nicht. Ich glaube, sie hat mich gefoltert, weil wir eine Affäre hatten und weil sie dachte, ich wollte sie beenden.«
    Gretchens Mund veränderte sich. Es war etwas, das niemand sonst auf der Welt bemerkt hätte. Aber das war seine Gabe. Er kannte sie wie niemand sonst.
    Archie stand auf. »Hab ich recht, Süße?«
    Gretchen versenkte das Skalpell in Jeremys Brust, schnitt und schälte den Rest der Herznarbe ab. »Ich tue nie etwas ohne einen Plan«, sagte sie und ließ den blutigen Hautfetzen auf den Boden fallen.
    »Weißt du, was das Komische ist?«, sagte Archie. In seiner Stimme lag keine Heiterkeit. »Ich wollte dich gar nicht verlassen.« Er hielt inne und sah sie an, sah sie richtig an, versuchte, sie so
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