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Gretchen

Titel: Gretchen
Autoren: Chelsea Cain
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Kellerboden sehen. Das Licht kam nicht vom Hauptraum. Es gab noch einen zweiten, hinter der Kellertreppe. Einen Heizraum.
    Archie steckte die Waffe in den Hosenbund, legte die Hände an beide Seiten des Fensters und ließ sich hinunter.
    Das Glas knirschte unter seinen Füßen. Er blickte zu Susan zurück, deren besorgtes Gesicht vom Fenster eingerahmt wurde, und machte ihr Zeichen, dort zu bleiben, wo sie war. Dann zog er die Waffe und bewegte sich auf das Licht zu.
    Die Tür zu dem alten Heizkesselraum war offen, und das Licht daraus ergoss sich als verzerrtes Rechteck auf den Betonboden. Der Raum war groß, vielleicht ein Viertel der Kellerfläche. Heizkessel gab es längst keinen mehr, an seiner Stelle stand ein staubiger Brennofen. Es gab Anschlüsse für Waschmaschine, Trockner und Warmwasserboiler. Eine Wäscheleine war über eine Ecke gespannt, mit ordentlich aufgereihten hölzernen Wäscheklammern daran.
    In der Mitte des Raums hing Jeremy nackt an seinen eigenen Haken. Die Haken durchbohrten seine Brust, den Rumpf und die Beine, sodass er flach, mit dem Gesicht nach oben in Tischhöhe über dem Boden schwebte, wie eine Probe, die seziert werden sollte. Seine Hände waren mit Klebeband auf den Rücken gefesselt.
    »Koma-Position«, hatte es Jeremy genannt.
    Die Haut spannte sich über jedem Haken wie ein Zelt, seltsam gedehnte Hautdreiecke, die aussahen, als könnten sie jeden Moment der Schwerkraft unterliegen. Jeremys Kopf hing schlaff nach hinten, sein blasser Hals war gebogen, der Adamsapfel trat hervor. Die eine Augenhöhle, die Archie sehen konnte, war ein blutiges Loch. Ein schwarzer Gummiball steckte als Knebel in seinem Mund, aber in der Stille des Kellers konnte ihn Archie mitleiderregend stöhnen hören.
    Gretchen stand auf der anderen Seite von Jeremy, mit dem Gesicht Archie zugewandt. Sie hatte die Stirn gefurcht, die Ellbogen seitlich abgespreizt und hielt ein Skalpell in der Hand. Ihre nackten Arme waren voller Blutspritzer. Sie war fleißig gewesen. Jeremys Brust war voll offener Wunden. Blut lief ihm am Brustkorb hinunter und tropfte auf den Beton.
    Archie steckte die Waffe erneut hinter sich in den Hosenbund und trat in die Tür.
    Gretchen ließ das Skalpell in Jeremys Brust sinken und zog es zu sich heran, während Jeremy erstickt keuchte. Der Palmar-Griff. All diese Jahre hatten Archie und seine Task Force sie gejagt und waren immer fünf Schritte hinter ihr gewesen. Er war an so vielen Tatorten gestanden, hatte so viele Leichen gesehen, so viele Autopsieberichte durchgearbeitet und versucht, sich in die Schrecken der Opfer hineinzuversetzen. Und dann hatte er sie aus erster Hand erfahren.
    »Hallo, Liebling«, sagte Gretchen. Sie blickte nicht auf. Sie wusste einfach, dass er da war. »Willst du mir bei der Arbeit zusehen?«
    »Ich habe dich schon bei der Arbeit gesehen«, sagte Archie. »Weißt du noch?« Er hörte das leise Knirschen von Glas, als Susans Füße auf dem Kellerboden landeten.
    »Das hier ist etwas anderes«, sagte sie und lächelte ihn an. »Komm. Schau es dir aus der Nähe an.«
    Archie wollte, dass Gretchens Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet blieb, damit sie Susan nicht bemerkte, deshalb ging er zu ihr. Jeremy hob den Kopf und wehrte sich, als er Archie hörte, wodurch sein Körper ins Schaukeln geriet, aber Gretchen streckte die Hand aus und brachte die Hängevorrichtung wieder zum Stillstand. Das Blut lief wie Tränen aus Jeremys Augenhöhlen.
    Archie stand gegenüber von Gretchen, zwischen ihnen schwebte Jeremy. Es stank nach Urin. Eine dunkle Pfütze befand sich auf dem Boden unter Jeremy. Gretchen beugte sich über ihn und drückte das Skalpell wieder in Jeremys Fleisch. Sein Oberkörper war zerfetzt. Die Wunden waren verschieden tief. Manche waren nur rote Schlitze, andere klaffende Wunden mit freiliegendem Fettgewebe darin, aus einigen sprudelte Blut.
    »Du warst etwas Besonderes«, sagte Gretchen zu Archie. »Deshalb hast du eine Sonderbehandlung bekommen.« Sie betrachtete stirnrunzelnd Jeremys brutal verstümmelte Haut. »Das hier macht praktisch überhaupt keinen Spaß.« Sie schob sich mit dem Handrücken eine lose Strähne ihres roten Haars aus der Stirn. »Aber Arbeit kann nicht immer Spaß machen, nicht wahr. Deshalb ist es ja Arbeit.«
    Archie begriff jetzt, was sie tat. Sie schnitt das Narbengewebe der Wunden heraus, die sich Jeremy selbst beigebracht hatte, die Abzeichen, die er sich nicht verdient hatte.
    »Glaubst du, Jack Reynolds hätte die Sache
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