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Gretchen

Titel: Gretchen
Autoren: Chelsea Cain
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zu sehen, wie er sie gesehen hatte, ehe er wusste, wer sie war. »Ich wollte Debbie verlassen.«
    Jeremy stieß erneut ein leises Stöhnen aus. Die Waffe in Archies Hosenbund drückte ihm ins Kreuz. Er konnte Susan nicht hören. Er hoffte, sie war wieder aus dem Keller geklettert.
    »Warum bist du gekommen?«, fragte Gretchen.
    »Um dich zu töten«, sagte Archie.
    »Wie sehr willst du es?«
    »Sehr«, sagte er.
    Gretchen stieß das Skalpell in Jeremys Leistenfalte. Jeremy heulte unter dem Knebel auf, und Gretchen nahm Archies rechte Hand und drückte seine Finger in die warme Wunde, sodass er mit Daumen und Zeigefinger Jeremys pulsierende Oberschenkelader zusammenpresste.
    »Die Oberschenkelarterie ist die zweitgrößte im Körper«, sagte sie. »Wenn du deine Hand wegnimmst, verblutet er binnen einer Minute.«
    Leuchtend rotes Blut schoss bei jedem Herzschlag von Jeremy zwischen Archies Fingern hervor. Alle Polizisten werden in den Grundzügen der Notfallmedizin ausgebildet. Der Heimlich-Griff. Wiederbelebung. Wie man einen Schock behandelt. Wobei man aber besonders aufpasste, war, wie man eine Wunde im Feld behandelte, denn falls man je angeschossen wurde, konnte es einem das Leben retten. Archie konnte nicht weggehen. Wenn er seine Hand fortnahm, würde Jeremy sterben. Er drückte seine linke Hand auf die rechte, um den Blutfluss mit ausreichend Druck zu verlangsamen.
    Gretchen entfernte sich rückwärts.
    »Du kannst ihn retten«, sagte sie. »Er wird überleben. Du kannst ihn vor Gericht bringen.« Sie kam um Jeremy herum auf Archies Seite und legte das Skalpell zu Archies Füßen auf den Boden.
    »Oder du kannst auf mich losgehen.«
    Jeremys Herzschlag beschleunigte sich, Archie spürte es am schnelleren Pulsieren des Bluts gegen seine Finger. Er hatte die Hand halb in Jeremy. Er konnte die Wärme und das Leben in ihm fühlen.
    Er dachte an Isabel Reynolds, an drei Obdachlose, die Jeremy getötet hatte, an Fintan English, der hier in diesem Haus gestorben war. Er sah zu Gretchen auf. Zu dem Skalpell zwischen ihnen hinunter. Und er ließ Jeremys Arterie los und hob die Hand.
    Jeremy gab ein Geräusch von sich. »Nein.«
    Archie machte zwei Schritte auf Gretchen zu und hob das Skalpell mit seiner blutigen Hand auf. Gretchen erstarrte und trat einen Schritt zurück an die Wand. Im nächsten Moment war er über ihr, ihre Körper waren nur Zentimeter voneinander getrennt, seine Hand lag neben ihrem Kopf flach an der Wand.
    Er hörte, wie Jeremy an seinen Fesseln zerrte und erstickte Schreie von sich gab.
    Das Skalpell war leicht in seiner Hand, schön, dasselbe Modell, mit dem sie ihn aufgeschlitzt hatte.
    »Wie kommst du darauf, dass ich nicht für die Todesstrafe bin?«, sagte Archie.
    Er stieß ihr das Skalpell unter den linken Rippenbogen.
    Es drang bis zum Heft ein, und Archie hielt es in dieser Stellung fest, die Faust an ihrem auf und ab wogenden Unterleib. Er blickte zwischen ihnen nach unten und sah Blut. Er bemühte sich, nicht auf Jeremys Wimmern zu hören.
    »Schau mich an«, sagte er zu ihr.
    Sie sah ihn aus ihren perfekten blauen Augen an. Er hatte Überraschung sehen wollen. Er hatte einmal etwas tun wollen, das sie nicht vorhergesehen und gesteuert hatte.
    Ihre Lippen teilten sich. Sie versuchte zu sprechen.
    Jeremy gab einen letzten erstickten Laut von sich und verstummte dann.
    »Dreh es«, sagte sie.
    Archie drehte das Skalpell, und sie öffnete den Mund und schrie auf. Ihre Wangen röteten sich. Dann legte sie die Hände auf sein Gesicht. Sie waren nass von Jeremys Blut. Archie konnte es riechen.
    »Männer sind so einfach gestrickt«, sagte Gretchen. Ihre Hände waren warm und ihre Berührung weich. »Bei Jeremy habe ich lediglich meine Altersgrenze ein wenig nach unten verschoben. Ich wollte sehen, ob ich ein Kind nehmen und es in ein Ungeheuer verwandeln konnte. Deshalb brachte ich ihn und seine Schwester in dieses Haus und habe sie vor seinen Augen ermordet.« Sie strahlte.
    Archie konnte nicht klar denken. Sie log schon wieder. Jeremy war ein Psychopath. Er war als einer zur Welt gekommen. Er hatte seine Schwester getötet. Er würde immer weiter töten. Er verstärkte seinen Griff um das Skalpell. »Nein«, sagte er.
    Ihre Hände zitterten an seinem Gesicht, als er die Klinge noch tiefer hineinstieß, und er spürte, wie sich ihr Blut warm zwischen ihnen ausdehnte.
    »Es war ein Experiment«, sagte sie und ließ ihre Hände langsam über seinen Hals zur Brust hinabgleiten. »Ich wollte
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