Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gretchen

Titel: Gretchen
Autoren: Chelsea Cain
Vom Netzwerk:
Archie es nicht bemerkte.
    »Ich brauche das Telefon«, sagte Archie.
    Sie wusste, welches Telefon er meinte. Aber sie war überrascht, mit welcher Gewissheit er davon ausging, dass sie es hatte, dass es nicht immer noch unbemerkt in ihrem Handschuhfach lag.
    Er konnte nur wissen, dass sie es gefunden hatte, wenn er wusste, dass sie es benutzt hatte, um mit Gretchen Kontakt aufzunehmen. Und das konnte er nur wissen, wenn er seither selbst mit Gretchen Kontakt gehabt hatte.
    »Natürlich«, sagte sie.
    Sie ließ ihn auf der Veranda stehen, ging ins Esszimmer, wo sie ihre rote Handtasche über einen Stuhlrücken gehängt hatte, und kehrte damit zur Tür zurück. Dann kramte sie das Handy aus der Tasche und hielt es ihm hin.
    Er nahm es, und ihre Finger berührten sich kurz. Archie ging die Nachrichten durch. Er blinzelte ungläubig. »Sie haben ihr eine SMS geschickt?«, sagte er.
    Susan zuckte mit den Achseln und wandte den Blick ab. »Sie waren in Schwierigkeiten.« Sie versuchte, es wiedergutzumachen. »Ich habe es aufgeladen«, sagte sie. »Ich habe das gleiche Ladegerät.«
    Archie ging die Nachrichten zu Ende durch. »Hier ist nichts«, sagte er. Er wählte eine Nummer und entfernte sich ein paar Schritte mit dem Handy am Ohr. Dann ließ er die Schultern sinken und drehte sich wieder zu Susan um. »Die Nummer, unter der sie angerufen hat, ist abgeschaltet. Es gibt keine Möglichkeit, sie zu finden.«
    »Was ist passiert?«, fragte Susan.
    Archie stützte sich am Türrahmen ab. »Gretchen hat Jeremy.«
    Susan hatte seine Verletzungen gesehen – er musste Schmerzen haben. Wahrscheinlich delirierte er. »Wollen Sie hereinkommen und sich setzen?«, fragte sie.
    »Keine Zeit«, sagte Archie und schüttelte den Kopf. »Gretchen hat Isabel Reynolds nicht getötet«, fügte er an. »Das war Jeremy.«
    Susans Hand ging reflexartig an ihre Wange. Sie dachte an Isabel – zwei Tage lang gefoltert, bevor sie starb. Es konnte nicht stimmen. Welcher Dreizehnjährige wäre zu so etwas fähig?
    »Woher wissen Sie das?«, fragte sie.
    Archie drückte die Stirn an den Türstock. »Sie wird ihn töten, wenn er nicht bereits tot ist«, sagte er. Er hob den Kopf und stieß ihn an das Holz. »Er hat mich zum Narren gehalten. Er hat mir erzählt, er würde sich an alles erinnern, dass Gretchen Isabel tief im Wald getötet habe. Aber Isabel war geknebelt. Wo immer man sie hingebracht hatte, es war nicht der Wald.« Er stieß den Kopf wieder an den Türrahmen, als versuchte er, einen Gedanken loszuschlagen. »Im Wald hätte er sie nicht zu knebeln brauchen. Niemand hätte sie gehört. Aber er muss sie irgendwohin gebracht haben, wo sie ungestört waren, wo er den Wagen verstecken konnte. Und wo man sie hätte hören können, wenn sie nicht geknebelt gewesen wäre.«
    Und plötzlich wusste Susan Bescheid.
    »Derek sagte, dieses Haus in North Fargo würde seit fünfzehn Jahren leer stehen«, sagte sie. »Der Rosengarten, Pittock Mansion, das alte Lagerhaus – es waren alles Tatorte des Beauty Killers.«
    Archie hob den Kopf vom Türstock und sah sie an.
    »Es gibt eine Grundmauer von einer Garage bei dem Haus«, fuhr Susan fort. »Vielleicht stand die Garage vor zwölf Jahren noch.«
    »Er hat den Wagen in der alten Garage geparkt und seine Schwester über zwei Tage zu Tode gefoltert«, sagte Archie langsam. »Drei-neun-sieben.« Er schloss die Augen. »März 1997. Er hat es uns praktisch buchstabiert.«
    »Sie glauben, dass Gretchen jetzt dort ist?«, fragte Susan. »Mit Jeremy?« Sie fuchtelte mit der Hand. »Dann rufen Sie das Sondereinsatzkommando. Lassen Sie eine Bombe auf den ganzen verdammten Block abwerfen.«
    Archie sah sie nur an.
    »O mein Gott«, sagte sie. »Sie wollen allein hingehen, nicht wahr?«
    Er machte kehrt und ging die Stufen hinunter, eine Hand an seiner Seite, die andere am Geländer.
    Susan wurde von schrecklicher Angst gepackt – Angst vor Gretchen, Angst davor, Archie nie wieder zu sehen.
    Sie angelte sich ihre Handtasche und spurtete ihm hinterher. »Ich komme mit«, sagte sie. »Ich war schon drin. Ich kenne das Haus.« Sie fasste ihn am Ellenbogen, sodass er sich auf sie stützen konnte. »Ich lasse Sie nicht allein gegen Gretchen antreten.«

_ 62 _
    Gretchen ist bereits da, in Anstaltsblau gekleidet und mit Handschellen an den Tisch gefesselt, als Archie den Vernehmungsraum im Staatsgefängnis von Oregon betritt.
    Ein Monat im künstlichen Koma, ein Monat Physiotherapie, und er ist immer noch nicht in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher