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Gretchen

Titel: Gretchen
Autoren: Chelsea Cain
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guten Eigenschaften von Jack: Aussehen, Selbstvertrauen, Gerissenheit. Er war dazu aufgebaut worden, das Familienunternehmen fortzuführen, aber er wollte raus.
    Also hatte ihn Archie mit Raul Sanchez bekannt gemacht, seinem Kontaktmann beim FBI. Archie hatte nicht vorausgesehen, dass ihn die Bundespolizei dazu überreden würde, genau das zu tun, was sein Vater auch wollte. Am Ende hatte es sich für Jack mehr bezahlt gemacht als für Leo. Es war, ohne dass er es wusste, der Grund, warum man ihm gestattete, seine Geschäfte weiterzubetreiben. Leo hatte Zugang zu Drogenoperationen auf der ganzen Welt. Und solange FBI und Drogenfahnder über die Umsätze von Jack Reynolds’ Unternehmen Bescheid wussten, ging es in Ordnung für sie.
    Irgendwie kamen die Leute so oder so an ihr Heroin.
    Es war einer der Gründe, warum Archie so eng mit der Familie Reynolds in Kontakt geblieben war. Leo hatte Zugang zu allen möglichen Verbrecherkreisen, und Archie hatte während seiner Tätigkeit als Leiter der Task Force mehr als einmal Gebrauch davon gemacht.
    Star hakte ein Bein um die Stange und drehte sich. Der Raum war klein, und Archie konnte sie riechen, ihren Körperschweiß, das Gel in ihren Haaren.
    Leo nahm einen Schluck von seinem Drink. »Tut mir leid wegen meines Bruders«, sagte er. Seine Augen waren blutunterlaufen, die Pupillen riesig.
    »Wie lange sind Sie schon hier?«, fragte Archie.
    »Ein paar Stunden.«
    Eher den ganzen Nachmittag. »Sie sehen fix und fertig aus«, sagte Archie.
    »Ja.«
    Die Stripperin schaukelte vor und zurück und ließ die Finger über ihre Nippel flattern.
    »Sie ist schön, nicht wahr?«, sagte Leo.
    »Sie ist sehr fit«, sagte Archie.
    Leo lachte. »Gefällt sie Ihnen nicht?«
    »Sie sieht aus wie Gretchen«, sagte Archie.
    Leo legte ihm die Hand aufs Knie. »Manchmal ist eine blonde Frau nur eine blonde Frau.«
    Archie versuchte, aus Leo schlau zu werden. »Wussten Sie Bescheid?«, sagte er.
    »Lass uns eine Minute allein, Star«, sagte Leo. Die Stripperin hörte auf zu schaukeln, hob einen seidenen Morgenmantel auf, der auf dem Boden lag, und ging ohne ein Wort hinaus, nachdem sie ihn angezogen hatte.
    Leo runzelte die Stirn. »Die Dreiecke haben mich gestört«, sagte er. Er trank noch einen kleinen Schluck und behielt ihn einen Moment lang im Mund. »Jeremy war immer eifersüchtig auf Isabel gewesen. Er glaubte, dass unser Vater sie mehr liebte als ihn. Als Jack dann die Isabel nach ihr benannte, drehte Jeremy durch – er versuchte das Boot zu versenken, zerriss die Segel, schnitt die Leinen durch.« Leo wärmte den Drink in seiner Hand. »Ich habe mich immer gefragt, ob die Schnittspuren auf Isabels Körper Boote sein sollten.«
    Vielleicht hatte sich Jeremy selbst eingeredet, dass Gretchen seine Schwester getötet hatte. Oder aber er hatte die ganze Zeit einfach gelogen.
    »Ab wann waren Sie sich sicher?«, fragte Archie.
    »Er war als Kind von Augen fasziniert. Hat sie immer aus Isabels Puppen springen lassen und in der Hosentasche herumgetragen.« Leo schaute in sein Glas. »Die Augen. Da wusste ich Bescheid.«
    »Gretchen hat mich heute Abend besucht«, sagte Archie.
    Leo schaute von seinem Glas auf.
    »Jeremy ist tot. Sie hat ihn getötet. Sie hat mir seine Augen gebracht.«
    Leo blieb lange stumm. Dann leerte er sein Glas auf einen Zug und stellte es auf das Sofa. »Nur die Augen?« fragte er.
    »Großer Gott«, sagte Archie. »Er lebt noch.«

_ 61 _
    Susans Mutter gab gerade einen Yogakurs im Arlington Club, und Susan versuchte, eine Model-Castingshow über ihren Laptop laufen zu lassen, als sie aufblickte und Archie Sheridan in der Tür stehen sah. Sie trug eine schwarze Trainingshose, ein abgewetztes T-Shirt, in dem sie schlief, und Sandalen. Es war nicht die Aufmachung, in der sie sich sah, wenn Archie Sheridan in ihrer Fantasie nachts vor ihrer Tür stand.
    Sie klappte den Laptop zu und watschelte zur Tür.
    Sie trug keinen Verband mehr, aber die zwei Stichwunden in ihrem Gesicht hatten sich verfärbt und waren angeschwollen, und ein blaues Auge entwickelte sich. Als sie die Tür öffnete und dabei ihr Spiegelbild im Glas sah, zuckte sie zusammen.
    Das Verandalicht brannte, und Mücken flogen gegen die Lampe. Der August war der einzige Monat in Portland, in dem sich Susan abends ohne Jacke im Freien wohl fühlte.
    »Was ist passiert?«, fragte Susan. Sie hatte Räucherstäbchen angezündet. Patschuli. Eine Duftwolke davon wehte auf die Veranda heraus. Sie hoffte, dass
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