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PRIM: Netzpiraten (German Edition)

PRIM: Netzpiraten (German Edition)

Titel: PRIM: Netzpiraten (German Edition)
Autoren: Dietrich Enss
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1
    Fünfzig Minuten nach der angesetzten Zeit trat der Pressesprecher zum zweiten Mal an das Pult und bat erneut um Geduld. Im Presseraum des Weißen Hauses wurde es unruhig.
    „Wie lange sollen wir noch warten? Dauern die Gespräche noch an?“ Viele Fragen prasselten gleichzeitig auf den Pressesprecher hernieder. „Gibt es Probleme?“
    „Bitte haben Sie noch etwas Geduld! Der russische Präsident Avtonoshkin und Präsident Stonington werden in Kürze zu Ihnen sprechen und Ihre Fragen beantworten“, gab der Pressesprecher bekannt, drehte sich um und verließ den Saal mit schnellen Schritten, als ob er weitere Fragen fürchtete.
    Die Kameraleute und Fotografen traten von ihren Stativen zurück, nahmen ihre Knopfhörer aus den Ohren und suchten sich freie Sitzplätze. Die waren schnell vergeben, und einige machten es sich auf dem Fußboden bequem. Viele der Journalisten und Reporter telefonierten. Es sah so aus, als hielten sie die Hände an ihre Ohren, um Schmerzen zu reduzieren. Offenbar war es auch eine Nachricht, dass es noch keine Nachricht gab. Und die Redaktionen mussten informiert werden, soweit sich Sendezeiten verändern würden.
    Die Reporter der Morgenzeitungen waren es gewohnt, ihre Berichte unter Zeitdruck zu schreiben. Aber jetzt rückte der spätabendliche Redaktionsschluss immer näher. „Ihr könnt schon mal das Layout umstellen“, teilte der Korrespondent der Zeitung TODAY dem Nachrichtenchef seiner Redaktion mit. „Die Gespräche dauern länger als geplant. Ich habe keine Ahnung, ob das eine gute oder schlechte Nachricht ist. Warte eine Sekunde! Sie kommen.“
    Der Pressesprecher ging zum Pult mit dem Präsidentensiegel und der amerikanischen Flagge, richtete das Mikrofon aus, obwohl es seit seinen letzten Worten unverändert war, schaute zurück zum Eingang, in dem der russische Präsident und ein Angestellter des Weißen Hauses zu erkennen waren, und beugte sich über das Mikrophon.
    „Meine Damen und Herren. Bitte empfangen Sie den russischen Präsidenten Avtonoshkin und den Persönlichen Berater von Präsidenten Stonington, Mr. Karl Joergensen!“
    Während der Pressesprecher zurücktrat, machte sich die Verblüffung der Anwesenden im Saal mit Rufen und Geraune bemerkbar. Aber gleich darauf wurde es sehr still, als der russische Präsident an sein Pult geführt wurde und Berater Joergensen sich hinter dem anderen Pult aufstellte. Zwei nicht uniformierte Secret-Service-Leute, ein Mann und eine Frau, positionierten sich außen neben den Pulten und beobachteten die Presseleute. Das Blitzlichtgewitter nahm ab. Der russische Präsident trug keine Kopf- oder Ohrhörer. Es war bekannt, dass er sehr gut Englisch sprach. Joergensen ergriff das Wort.
    „Guten Abend. Präsident Stonington bittet um Ihr Verständnis, dass er nicht wie geplant zu dieser Konferenz kommen kann. Gleich nach dem Ende der sehr freundlichen und einvernehmlichen Gespräche mit Präsident Avtonoshkin und seiner Delegation hat Präsident Stonington wegen einer vordringlichen, privaten Familienangelegenheit das Treffen verlassen müssen und mich mit seiner Vertretung beauftragt. Bevor ich über das Treffen mit unseren russischen Freunden berichte, möchte ich jedoch Präsident Avtonoshkin das Wort geben. Anschließend stehen wir Ihnen gerne für einige Fragen zur Verfügung. Bitte - Mr. Präsident!“
    Avtonoshkin musste warten. Die Unruhe im Pressesaal wollte nicht enden. Die Journalisten telefonierten oder tippten eifrig Meldungen in ihre Geräte, die über das drahtlose Netz oder die Telefonleitungen des Weißen Hauses mit den Redaktionen verbunden waren. Die Kameras richteten sich nicht auf den russischen Präsidenten, sondern auf Joergensen, der vom Pult zurückgetreten war und leise mit einem der Secret-Service-Agenten sprach. Joergensen war klar, dass das amerikanisch-russische Treffen für die Presse jetzt völlig uninteressant war. Sie würden nachher nur nach den dringenden familiären Angelegenheiten des Präsidenten fragen, ob er krank sei, und ob es nicht in Wirklichkeit ein Zerwürfnis mit den Russen gäbe.

2
    Um in das Büro des Direktors der NSA zu gelangen, waren insgesamt vier Sperren mit Personenkontrolle zu passieren, ohne die am Gebäudeeingang mitzuzählen. Peter G. Tessenberg, Leiter der Abteilung Innere Sicherheit und Stellvertreter des Direktors Ernest Brendan Grey, sprang eilig aus dem Wagen, durchquerte die Sperren mit minimalem Zeitverlust, während sein diensthabender Leibwächter, gestellt von
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