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Grenzen setzen – Grenzen achten

Titel: Grenzen setzen – Grenzen achten
Autoren: Anselm Grün/Ramona Robben
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Todes
    Von der Gelassenheit im Endlichen
Fluchtwege aus der Angst
    Der Mensch stößt in seinem Leben notwendig an die Grenze des Todes. Es ist Zeichen menschlicher Weisheit, diese Grenze zu akzeptieren. Schon der Psalmist betet: „Herr, tu mir mein Ende kund und die Zahl meiner Tage! Lass mich erkennen, wie sehr ich vergänglich bin.“ (Ps 39,5) Heinrich Fries hat Sterben die extremste Form der Erfahrung der Grenze genannt. Der Philosoph Karl Jaspers spricht von Grenzerfahrungen, die zur Existenz des Menschen gehören und denen wir uns stellen müssen: Leid, Kampf, Schuld und Tod. Nur so wird der Mensch sein Leben übersteigen auf „den ungegenständlichen, tragenden Grund des Existierens“, auf die Transzendenz, die ihn erst wahrhaft leben lässt. Das Leben gelingt nur, wenn der Mensch sich dieser Grenze des Todes stellt und sie nicht verdrängt.
    Der amerikanische Psychologe Irwin Yalom hat in seiner existentiellen Psychotherapie gezeigt, dass es für den therapeutischen Prozess notwendig ist, dass sich der Mensch mit der Angst vor dem Tod auseinandersetzt. Yalom kritisiert die Psychoanalyse Sigmund Freuds gerade deswegen, weil sie sich dieser Thematik nie gestellt hat. Seine Überzeugung: Der Mensch vermag seine neurotischen Lebensmuster nur zu heilen, wenn er sich mit dem Sterben beschäftigt und sich damit aussöhnt. Er zeigt, dass es vor allem zwei Weisen gibt, wie sich der Mensch der Angst vor dem Tod, und damit seiner eigenen Grenze, entziehen möchte.
    Das ist einmal die Suche, etwas Besonderes zu sein. Man malt sich aus, dass man besonders begabt ist, dass bei einemselbst die Gesetze und damit auch die Grenzen nicht gelten, die für alle gelten. Menschen, die so leben, machen sich Illusionen über sich selbst, um der Begrenzung durch den Tod aus dem Weg zu gehen.
    Die zweite Fluchtmöglichkeit besteht darin, sich an einen großen Retter zu hängen. Das kann der Therapeut sein oder der Ehepartner oder ein spiritueller Guru. Man verherrlicht einen Menschen und versucht, ständig in seiner Nähe zu leben. Davon erwartet man sich letztlich, dass man teil hat an dessen Todesüberwindung. Man projiziert in den Guru die Erwartung der eigenen Unsterblichkeit. Seine Grenzen, seine menschlichen Fehler und Schwächen übersieht man, und gleichzeitig wird er gleichsam vergöttlicht. Doch damit weicht man einem lebensnotwendigen Schritt aus: der Begegnung mit dem eigenen Tod, mit der eigenen Begrenztheit. Wenn dann solche Menschen, die im Schatten eines Guru ihre Grenzen verleugnet haben, in ihren Erwartungen enttäuscht werden, wenn sie erleben, wie man sie fallen lässt, dann wird es ihnen nur noch schwerer gelingen, sich mit ihren Grenzen auszusöhnen.
Einladung zum Leben
    Ob das Leben eines Menschen gelingt, das hängt aber von seinem Umgang mit der letzten Grenze seines Lebens ab. Dabei wird mein Umgang mit der Grenze jeweils anders aussehen, je nachdem, wie ich mir das Jenseits dieser Grenze vorstelle. Wer davon ausgeht, dass nach dem Tode das Nichts kommt, wird dazu neigen, die Grenze des Todes zu verdrängen und so zu tun, als ob Sterben und Tod nur das Schicksal der anderen seien. Heinrich Fries hat das so formuliert: „Man kann gegen die Grenze protestieren, sich dagegen auflehnen – und muss erfahren, dass dies reine Vergeblichkeit ist. Daraus entsteht einVerhalten, das das Leben als Absurdität, als Fluch und Sinnlosigkeit, als unnütze Leidenschaft ansieht.“ Der christliche Weg besteht darin, die Grenze des Todes anzuerkennen, aber zugleich daran zu glauben, dass für Gott diese Grenze nicht besteht. Christlicher Glaube sagt: Gott wird uns auch jenseits der Todesgrenze mit seiner Liebe erwarten. Jesus Christus hat in seiner Auferstehung die Grenze des Todes überwunden. Das Wort der Liebe, das er hier auf Erden uns zugesprochen hat, wird uns auch im Sterben begleiten. Wer an Gott als das Jenseits der Grenze glaubt, der wird die vielen Grenzerfahrungen, die er auf Erden macht, immer wieder als Hinweis auf die Grenzüberschreitung der Auferstehung wahrnehmen. Für den glaubenden Menschen ist der Tod kein fluchbeladenes Verhängnis, sondern, wie Heinrich Fries sagt, „die Pforte, die aus der Enge in die Freiheit führt und Vollendung des Lebens ist, das keinen Tod mehr kennt.“

    Jesus sagt in seiner Abschiedsrede, er gehe in seinem Tod hin, um uns einen Platz zu bereiten (Joh 14,2). Er überschreitet die Grenze des Todes und geht in die Wohnung Gottes, um sie für uns vorzubereiten. In der
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