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Grenzen setzen – Grenzen achten

Titel: Grenzen setzen – Grenzen achten
Autoren: Anselm Grün/Ramona Robben
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Eucharistie feiern die Gläubigen die Grenzüberschreitung Jesu. Da wird die Grenze zwischen Himmel und Erde, zwischen Leben und Tod aufgehoben, und wir werfen einen Blick über die Grenze hinaus. Dieser Blick über die Grenze ist keine Verwischung der Todesgrenze, kein Nichtwahrhabenwollen, sondern er will uns ermutigen, die Grenze unseres Todes zu akzeptieren. Wir können die Grenze unseres Todes nur annehmen, wenn wir wissen, dass in uns zugleich etwas ist, das durch diese Grenze nicht beschränkt werden kann. Dieses Grenzenlose in uns ist die Liebe. Gabriel Marcel hat die Liebe so definiert: Einen Menschen zu lieben, heißt, ihm zu sagen: „Du, du wirst nicht sterben.“ Die Liebe überschreitet die Grenze des Todes. Aber sie akzeptiert zugleich diese Grenze.

    Die Grenze des Todes lädt uns ein, Ja zu sagen zu unserer menschlichen Begrenzung und zugleich zu unserer Grenzenlosigkeit, die uns Gott geschenkt hat. Diese Spannung gilt es auszuhalten. Dann vermögen wir die Grenze des Todes anzunehmen. Dann ist die Grenze des Todes eine Einladung, hier und jetzt bewusst und intensiv zu leben, den Geschmack der Fülle des Lebens zu erahnen. Ich muss nicht alles in diese begrenzte Zeit hineinpressen. Für manche ist die Grenze des Todes Anlass, sich zuviel zuzumuten. Die rastlose Hektik, die sie verbreiten, ist ein Protest gegen die Grenze, die der Tod ihnen setzt. Sie meinen, sie müssten möglichst viel leisten, möglichst viel erleben und möglichst viele Fähigkeiten entwickeln. Dieser Leistungsdruck widerspricht dem Akzeptieren unserer Grenze. Wenn ich sie annehme, dann bin ich dankbar für jeden Augenblick. Ich erlebe ihn in seiner Fülle. In dieser kurzen Zeit, in der ich ganz gegenwärtig bin, habe ich teil an allem. In dieser begrenzten Zeit erlebe ich die Grenzenlosigkeit der Ewigkeit. Ich bleibe der durch den Tod begrenzte Mensch und erlebe in der Grenze zu Gott gleichzeitig die göttliche Aufhebung aller Grenzen.

20. Vom Tod zum Leben übergehen
    Von einem Leben in Fülle
Ewiges Leben – jetzt
    Der Tod ist nicht nur eine Frage am Ende unseres zeitlichen Lebens. Johannes sieht in seinem Evangelium noch eine andere Grenze, die wir überschreiten müssen. Es ist nicht die Grenze unseres physischen Todes, der jeden am Ende seines Lebens trifft. Vielmehr meint Johannes, dass viele Menschen hier nicht eigentlich leben, sondern dass sie im Bereich des Todes sind. Wahres Leben heißt für ihn, zu glauben. Glauben ist für Johannes ein Hinüberschreiten aus dem Bereich des Todes in den Lebensbereich. Wer glaubt, „ist aus dem Tod ins Leben hinübergegangen.“ (Joh 5,24) Er ist – so könnte man die Aussage des Johannes übersetzen – „aus dem Tod ins Leben umgesiedelt“. Es ist wie bei einem Wohnungswechsel. Der Tod ist wie eine Behausung, aus der der Mensch nicht ausbrechen kann. Dieser Bereich des Todes ist geprägt durch Blindheit und Oberflächlichkeit, durch Orientierungslosigkeit und Sinnlosigkeit, durch Leere und Entfremdung. Wir sehen nur die Oberfläche der Dinge. Wir geben uns zufrieden mit der Welt und ihren Maßstäben von Erfolg und Anerkennung, Zuwendung und Bestätigung. Wer glaubt, sieht die Welt so, wie sie eigentlich ist. Er sieht hinter die Dinge. Der Glaube ist für Johannes also ein Überschreiten einer Grenze. Wer glaubt, der übersteigt das Sichtbare. Er durchschaut die Dinge auf ihrem Grund. Er sieht sie als Ausdruck der schöpferischen Liebe Gottes. Und er erkennt in sich selbst das göttliche Leben. Er kommt in Berührung mit seinem Inneren. Und dort findet er Gott, der zu ihm spricht, der ihmdie Augen öffnet für das Geheimnis der Liebe, das ihn durchdringt. Hören und Glauben sind die beiden Wege, wie der Mensch aus der Entfremdung zu seinem eigentlichen Leben gelangt, aus der Sinnlosigkeit in den Sinn, aus der Finsternis in das Licht. Durch Glauben und Hören vermag der Mensch sich selbst zu verstehen. Im Hören auf das Wort Jesu wird er richtig und hat daher das Gericht nicht mehr nötig. Er ist jetzt schon vom Tod zum Leben übergegangen. Darin besteht für Johannes das ewige Leben. Der Glaubende hat hier schon ewiges göttliches Leben in sich.

    Ewiges Leben ist also für Johannes nicht in erster Linie das Leben nach dem Tod, sondern eine eigene Qualität von Leben. Es ist ein Leben, das jetzt schon das Ewige und Göttliche in sich birgt. Weil der Tod keine Macht hat über dieses göttliche Leben, wird das ewige Leben den Tod überdauern. Es ist weder der Todesgrenze noch
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