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Grenzen setzen – Grenzen achten

Titel: Grenzen setzen – Grenzen achten
Autoren: Anselm Grün/Ramona Robben
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Besitz aufgekauft. Er schikanierte die Frau, indem er ständig die Grenzen verletzte. Er lud auf dem Zugang zum Haus seine Baumaterialien ab. Er verstellte den Zugang mit seinen Fahrzeugen. Auch durch die Anweisungen der Gemeinde ließ sich der Mann nicht davon abhalten, die Grenzen zu verletzen. Für die Frau war das nicht nur eineäußere Verletzung. Sie fühlte sich nicht mehr sicher und von allen Seiten bedrängt. Der Nachbar respektierte weder ihre äußere noch ihre innere Grenze.

    Ein Mann erzählt, wie sehr es ihn innerlich verunsichert hat, als in sein Haus eingebrochen wurde. Es war nicht so sehr der materielle Schaden als vielmehr das Gefühl, dass da jemand die eigene Grenze zutiefst verletzt hat. Er fühlte sich nicht mehr sicher in seinem Haus. Die Grenzverletzung durch den Einbrecher war für ihn wie ein Frevel, der die Räume seines Hauses erfüllte. Es war nicht nur die äußere Grenze des Hauses, die durch den Einbruch verletzt wurde. Es war ein Angriff auf seine Person.

    Die Grenze schützt uns. Das gilt nicht nur für die äußere Grenze unseres Grundstückes, sondern auch für die Grenze unserer Seele. Es gibt Menschen, die kein Gespür haben für unsere Grenzen. Instinktiv versuchen wir, uns in einem solchen Fall zu wehren: Sie sind uns unangenehm und wir meiden sie. Sie respektieren unsere Zeitgrenze nicht. Wenn wir ein Gespräch zu einer bestimmten Uhrzeit ausgemacht haben, kommen sie viel zu spät, nicht weil sie im Stau standen, sondern weil sie es mit der Zeit nicht ernst nehmen. Wir haben die Gesprächsdauer begrenzt. Doch sie erzählen und kommen an kein Ende. Andere rufen abends zu später Zeit an und merken gar nicht, dass man nicht mehr gestört werden will. Es gibt Leute, die um 2.00 Uhr nachts anrufen und meinen, man würde jetzt ihr Problem anhören. Das Gespür für die natürlichen Grenzen ist bei vielen heute verloren gegangen. Da sehnen wir uns nach der Heiligkeit der Grenze, wie sie die Römer im Fest der Terminalia gefeiert haben. Die Grenze ist ein Tabu, das nicht überschritten werden darf. Damit der Mensch sich selbst findet und heil und ganz werden kann, braucht er diese Heiligkeit seiner Grenze. Das ist eine wichtige Voraussetzung für das Heil und die Heilung desMenschen. Zur Kultur des menschlichen Umgangs gehört das Beachten der Grenze. Wer sich ständig auf Kosten des Nachbars breit macht, verletzt und missachtet ihn. Doch der Grenzverletzer grenzt sich letztlich durch sein Verhalten selber von der menschlichen Gemeinschaft aus. Denn mit Menschen, die die Grenzen nicht heilig halten, wollen wir nichts zu tun haben. So entsteht ein Teufelskreis. Weil sich jemand einsam fühlt, verletzt er die Grenze zum anderen, um seine Nähe zu erzwingen. Doch damit grenzt er sich selbst aus und wird unfähig zu wirklicher Begegnung und Beziehung. Er isoliert sich immer mehr.

    Eine gute Übung, die eigene Grenze und die Grenze des anderen wahrzunehmen, wird oft in Kursen angeboten. Es stellen sich zwei Teilnehmer im Raum weit voneinander entfernt auf. Einer bleibt stehen, der andere geht langsam auf ihn zu. Wer stehen bleibt, sagt „Stop“, wenn er spürt, dass eine größere Nähe seine Grenze überschreiten würde. Jeder reagiert in dieser Situation unterschiedlich. Was für den einen gerade angenehm ist, ist für den anderen schon unangenehm. Jeder hat ein Gespür für seine ganz persönliche Grenze. Viele haben ein geradezu körperliches Gefühl dafür, wo ihre Grenze liegt. Wir müssen aber auch lernen, zu unserer Grenze zu stehen und sie anderen auch zu signalisieren. Der andere kann es von sich aus nicht wissen. Wir müssen es ihm sagen oder ihm durch unser Verhalten klar machen, wo unsere Grenze liegt. Jeder ist für seine eigene Grenze verantwortlich.
Ein heiliger Bereich
    Dass den Römern und Griechen die Grenzen heilig sind, lässt sich auch am Wortstamm erkennen. Das lateinische Wort für heilig ist „sanctus“. Es kommt von „sancire“, das „abgrenzen,absondern“ bedeutet. Das Heilige ist das klar Abgegrenzte. Die Griechen sprechen vom „temenos“, vom „heiligen Hain“, den man von der Landschaft abgegrenzt hat. Das Heilige – so können wir schon an der Bedeutung des Wortes erkennen – ist nicht jedem zugänglich. Man darf es nur unter bestimmten Voraussetzungen betreten. Normalerweise hat nur der Priester Zutritt zum Heiligen. Er allein darf die Grenze jenseits des profanen Bereichs überschreiten. Das Heilige ist auch das, was der Welt entzogen
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