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Grenzen setzen – Grenzen achten

Titel: Grenzen setzen – Grenzen achten
Autoren: Anselm Grün/Ramona Robben
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immer eine Gefahr. Lehrer oder Priester sind in Gefahr, im Umgang mit Schülern und Schülerinnen, mit Ministranten und Ministrantinnen hinter der Fassade von Herzlichkeit und Zugewandtsein die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Manchmal ist es für die Kinder durchaus schön, wenn Lehrer oder Priester keine Grenzen kennen. Sie turnen an ihnen herum. Doch irgendwann spüren sie, dass etwas nicht stimmt. Der grenzenlose Mann lädt auch Kinder dazu ein, ihre eigenen Grenzen zu vergessen. Irgendwann kommt es dann zu Übergriffen und tiefen Verletzungen.
Der andere – ein Engel
    Die eingangs erzählte biblische Geschichte spricht von Engeln, die bei Lot zu Gast waren. Das ist ein eindrückliches Bild, das uns vor Grenzverletzung bewahren möchte, indem es darauf hinweist: Der andere Mensch ist immer ein Engel. In ihm kommt mir etwas entgegen, was meinem Zugriff entzogen ist, etwas Heiliges, Zärtliches, das ich achten soll wie einen Engel, d. h. einen Gottesboten. Im anderen Menschen leuchtet etwas Göttliches auf. Wenn ich es achte, kann ich mich daran erfreuen. Wenn nicht, werde ich blind für meine eigenen Bedürfnisse. In der biblischen Erzählung schlagen die Engel die Bewohner von Sodom mit Blindheit. Auch das ist ein treffendes Bild: Gott lässt auf die Städte Sodom und Gomorra Schwefel und Feuer regnen. Wer ein Kind sexuell missbraucht, der verletzt nicht nur das Kind abgrundtief, sondern richtet sich auch selbst. In der Sprache der Bibel: Er wird blind und bereitet sich letztlich selbst den Untergang.

3. Die Grenze ist heilig
    Vom respektierten und geschützten Raum
Unter dem Schutz der Gottheit
    Grenzen waren den Menschen immer heilig. Die Grenze trennt und schützt, und sie teilt die Bereiche der Erde den Menschen zu. Erst die gerechte Aufteilung der Erde ermöglicht ein friedliches Miteinander der Völker. In der Geschichte und im Selbstverständnis der Israeliten stellen wir das Gleiche fest: Gott selbst hat dem Volk Israel seine Grenzen gesetzt. Heilig waren aber auch die Grenzen zwischen den Menschen des Volkes Israel. Immer wieder warnt das Buch der Sprichwörter, die Grenzsteine nicht zu versetzen (Spr 22,28 und 23,10). Und im Buch Deuteronomium befiehlt Gott den Israeliten: „Du sollst die Grenze deines Nächsten nicht verrücken.“ (Dtn 19,14) Das Volk Israel stand mit diesem Verständnis von Grenze nicht allein da, sondern übernahm die allgemeine Auffassung der Antike.

    In allen Kulturen stehen die Grenzen unter dem besonderen Schutz der Gottheit. Das gilt nicht nur für die Landesgrenze, sondern auch für die Abgrenzung der Felder, für die Grenzen, die man beim Hausbau einzuhalten hat. Schon die Griechen kannten klare Vorschriften über die Grenzabstände, die man beim Bau eines Hauses, beim Pflanzen von Ölbäumen, beim Graben eines Brunnens und sogar bei der Aufstellung eines Bienenkorbes einzuhalten hat. Die Römer haben nicht nur die rechtlichen Vorschriften für die Grenzen ausgebaut. Für sie hatten die Grenzen heiligen Charakter, und sie feierten jedes Jahr das Fest der Terminalia. Termini waren die Grenzsteine. Sie wurden als göttlicheWesen verehrt. Unser Begriff „Termin“ stammt von diesem römischen Wort. Wenn wir mit einem anderen einen Termin ausmachen, setzen wir gleichsam einen Grenzstein, an den beide sich halten und den beide achten.

    Für die Grenze hatten die Römer verschiedene Bezeichnungen. Grenze heißt „finis“, das zugleich auch „Ende“ bedeutet. An der Grenze endet der Machtbereich des Königs und das Nutzungsrecht des Nachbarn. Und die Grenze erinnert mich an das Ende meiner eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten. Ein anderes lateinisches Wort für Grenze ist „limes“. Der Limes ist das Ergebnis der Abgrenzung durch Vermessung (limitatio). Es gibt zahlreiche antike Schriften über die Vermessung der Felder und Bauplätze. Die Grenze zeigt mir an, was mir zugemessen wurde, was mein Maß ist, mein „Limit“. Das römische Recht legte sehr starken Wert darauf, dass die Grenzen eingehalten werden und jedem das zugeteilt wird, was ihm zusteht. Das Recht schützt die Grenze und damit den Menschen.
Schutz für die Seele
    Die Einhaltung der äußeren Grenze ist auch für die menschliche Seele wichtig. Damit der Mensch nicht innerlich zerfließt, sondern seine Identität bewahrt, braucht er den Schutz der Grenzen. Das wurde uns in der Erzählung einer Frau bewusst. Sie hatte ein kleines Haus gekauft. Rings um ihr Haus hatte ein reicher Mann den ganzen
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