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Greifenmagier 1 - Herr der Winde

Greifenmagier 1 - Herr der Winde

Titel: Greifenmagier 1 - Herr der Winde
Autoren: Neumeier Rachel
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schlimmer!«, rief Tesme und rieb sich die Stirn.
    Kes bemerkte, wie ihre Schwester mit der Vorstellung rang, dass sich Greifen auf ihre Pferde stürzten. Dazu brauchte sie eindeutig einen Augenblick. Sie war es nicht gewöhnt, an die Gefahr zu denken, die womöglich von einem großen Raubtier ausging, falls niemand im Dorf mit diesem reden oder es beherrschen konnte.
    In jedem Land fand man zwar die drei allgemeinen menschlichen Gaben verbreitet - doch mit sehr unterschiedlicher Ausprägung. Genauso wie Casmantier berühmt für ihr dunkles Äußeres waren, die großen Knochen und die stämmige Gestalt, so standen die Handwerker und Baumeister Casmantiums in dem Ruf, die besten zu sein. Überall gab es Menschen, die Dinge anfertigten, aber in Casmantium fand man mehr und bessere von ihnen. Um Handwerker zu finden, die über das größte Geschick und die tiefste Hingabe an ihre Tätigkeit verfügten, um Baumeister zu finden, die die stärksten Mauern und die besten Straßen und größten Paläste schufen, ging man nach Casmantium.
    Ebenso erkannte man Linulariner daran, dass ihr Haar von der Farbe hellen Bieres war und sie schmale, geheimnisvolle Augen hatten, aber auch, weil sie klug waren und die Dichtkunst liebten. Jeder in Linularinum konnte schreiben, hieß es, sodass es wohl nicht überraschend war, dass man dort die klügsten Rechtskundigen antraf. Farabiand hatte ebenfalls seine Rechtskundigen, zumindest in den Städten, aber falls man einen wirklich sicher bindenden Vertrag abzuschließen gedachte, der genau das leistete, was man wollte, wandte man sich an einen Linulariner Rechtskundigen, damit er ihn aufsetzte.
    Und alle Welt wusste: Brauchte man jemanden mit einer wirklich starken Verbundenheit zu einer besonderen Tierart, dann suchte man in Farabiand nach ihm. Wie Tesme eine Affinität für Pferde hatte, fand man andere, die eine für Krähen oder Mäuse oder Rotwild oder Hunde hatten. In Farabiand gab es in jeder Stadt, jedem Dorf und jedem winzigen Weiler ein oder zwei Menschen, die Wölfe und Bergkatzen herbeirufen und - wichtiger noch - wegschicken konnten. Greifen hingegen waren Kreaturen des Feuers, nicht der Erde. Als wie gefährlich oder zerstörerisch auch immer sie sich möglicherweise entpuppten - niemand, auch keiner in Farabiand, vermochte sie über die Berge zurückzuschicken.
    Tesme sah immer unglücklicher aus. »Erlauben du und Edlin uns vielleicht für eine Zeit lang den Gebrauch eurer unteren Weide?«, bat sie Jerreid. »Meine ist nicht groß genug für alle Pferde. Muss ich wohl alle Pferde wegbringen, was denkt ihr? Wie groß sind Greifen? Wie viele hast du gesehen, Kaenne?«
    »Dutzende«, antwortete der Junge. Er schien darüber erfreut zu sein. »Große.«
    Nehoen zeigte wortlos eine Skizze, die er gezeichnet hatte. Es war die Darstellung eines Tieres von wilder Erscheinung: halb gefiedert und halb pelzbedeckt, mit dem grausamen Hakenschnabel und den Krallen eines Adlers sowie der Hinterpartie einer Katze. Alle drängten sich heran, um die Skizze besser sehen zu können. Kes, die Kanes über die Schulter blickte, zuckte leicht zusammen. Das Monster in dieser Zeichnung war ein rohes, missgestaltetes Etwas, weder Vogel noch Tier; es wirkte unbeholfen und bösartig.
    »Ja«, sagte Kaenne triumphierend. »Greifen!«
    Kanes nickte gewichtig. »Wir brauchen königliche Soldaten; genau die brauchen wir. Um die Kreaturen zu vertreiben, ehe sie sich hier einnisten.«
    Kes betrachtete noch ein wenig länger die Zeichnung und hörte nicht zu, als alle auf einmal redeten. Das war alles falsch. Und zudem konnte sie, wie sie bemerkte, die Vorstellung nicht ertragen, dass alle anderen glaubten, Nehoens Zeichnung bildete die Wirklichkeit ab - auch wenn sie nicht verstand, warum ihr dieser Umstand so wichtig war. Also nahm sie Nehoen wortlos den Bogen Papier ab und hob das Stück Holzkohle auf, mit dem er die Zeichnung angefertigt hatte. Nehoen wirkte erschrocken, überließ ihr aber das Stück Kohle. Nellis stand auf, machte ihren Platz am Tisch für Kes frei und gab auch Kaenne mit einem Wink zu verstehen, er solle sich einen anderen Platz suchen.
    Kes drehte das Papier um, damit sie die leere Seite vor sich hatte, und setzte sich. Ihr Publikum hatte sie schon vergessen. Sie dachte an Greifen, die Augen erfüllt von Feuer und Schönheit. Sie drehte das Kohlestück in den Fingern und setzte es aufs Papier. Die Kreatur, die sie zeichnete, ähnelte überhaupt nicht jener aus Nehoens Hand. Sie konnte
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