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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer
Autoren: Friedhelm Busch
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Aktienbeständen und stiegen um auf Anleihen, Obligationen oder Pfandbriefe. Raus aus dem verlustreichen Aktiengeschäft und rein in die sicheren Rentenpapiere, selbst wenn diese nur noch eine Rendite von etwas mehr als 5 Prozent einbrachten, fast 50 Basispunkte weniger als ein Jahr zuvor.
     
    Die deutschen Anleger waren so intensiv mit ihrem eigenen Jammer beschäftigt, dass sie die ersten Anzeichen der Trendwende in den USA nicht wahrnahmen. Im vierten Quartal 1987 hatte das reale Wachstum bei 4,2 Prozent und damit überraschend hoch gelegen, im Grunde ein schlechtes Vorzeichen für den Aktienmarkt, weil eine gute Konjunktur sehr schnell die Währungshüter der Notenbank veranlassen konnte, mit steigenden Zinsen einer drohenden Inflation bereits im Vorfeld zu begegnen. Steigende Zinsen aber machen den Rentenmarkt attraktiver als den Aktienmarkt und sind deshalb nach Meinung der Börsianer Gift für die Aktien. Offensichtlich aber war die amerikanische Notenbank nach dem Oktober-Crash nicht daran interessiert, durch steigende Zinsen weiterhin Öl ins Feuer zu gießen.
    Unterstützt wurde sie in dieser Haltung auch von den Deutschen. Finanzminister Stoltenberg und Bundesbankchef Pöhl zeigten sich wild entschlossen, die verschüttete Harmonie zwischen den USA und der Bundesrepublik wieder freizulegen. Die jüngsten Zinssenkungen am deutschen Rentenmarkt waren offenbar ein Teil der Wiedergutmachungen. Letztlich war dieses Einlenken der Deutschen auch im eigenen Interesse, denn mit dieser Kehrtwende in der offiziellen Zinspolitik nahm die Attraktivität der D-Mark gegenüber dem US-Dollar ab. Jetzt konnte die US-Notenbank die US-Zinsen weiter herunterschleusen, ohne den Kurs des US-Dollars zu belasten.
    |38| Die Rechnung ging auf: Der US-Dollar zog auf knapp 1,70 gegenüber der D-Mark an, und das, obwohl die Zinsen in den USA in einem atemberaubenden Tempo in den Keller fielen. Bei den dreißigjährigen US-Bonds gaben die Zinsen innerhalb weniger Wochen um mehr als zwei volle Prozentpunkte nach. Eine Mastkur für die Börse. Unser Daueroptimist aus New York, Heiko Thieme, hatte mit seiner Vorhersage unmittelbar nach dem Oktober-Crash schneller Recht bekommen, als ich selber erwartet hatte.
    Auf dem Frankfurter Parkett zogen die Aktienkurse aber nur leicht an. Der Index der Börsenzeitung stieg in der ersten Februarhälfte langsam auf 264,77, und die meisten meiner Gesprächspartner an der Börse pflegten immer noch ihre Wunden und murmelten etwas von technischer Reaktion oder Bullenfalle. Lediglich Horst Zirener, Geschäftsführer bei der Deka, der deutschen Kapitalanlagegesellschaft, nahm sein Herz in beide Hände und riet unseren Zuschauern zum Einstieg in den deutschen Aktienmarkt. Der US-Dollar habe das Schlimmste hinter sich und der deutsche Rentenmarkt werde mit der vorherrschenden Zinssenkungsfantasie auf mittlere Sicht dem Aktienmarkt in den Sattel helfen.
    Als dann die Amerikaner überrascht feststellten, dass ihr Handelsbilanzdefizit bereits im Dezember 1987 stärker gesunken war als ursprünglich geglaubt, jubelte die Wall Street und der US-Dollar sprang über die 1,72-Marke. Die deutsche Börse aber geriet schier aus dem Häuschen. »Nie wieder schwach«, schrien alle die Börsianer, die noch wenige Tage zuvor am liebsten das Wort »Aktie« aus ihrem Wortschatz gestrichen hätten. Angesichts der Erholung an der Wall Street fiel es nun allen wie Schuppen von den Augen: Die deutsche Börse hatte unter dem Oktober-Crash stärker und länger gelitten als die meisten anderen Finanzmärkte, nicht wegen der schlechteren Verfassung der deutschen Wirtschaft, sondern wegen der harten D-Mark und wegen ihrer perfekten Organisation. Ausländische Anleger konnten jederzeit soviel verkaufen, wie sie wollten, ohne jede Beschränkung, und beim Verkauf ihrer deutschen Titel auch noch hohe Währungsgewinne einstreichen. Folglich war die deutsche Börse in den letzten Monaten weit unter ihrem eigentlichen Wert gehandelt worden. Die Konsequenz aus dieser Erkenntnis |39| : die leergefegten Aktiendepots schleunigst wieder auffüllen, und zwar so schnell wie möglich, ehe der Börsenzug zu sehr an Fahrt aufnahm. Auch wenn wir in den folgenden Wochen immer wieder von Gewinnmitnahmen in Deutschland oder von vorübergehenden Schwächeanfällen an der Wall Street und beim US-Dollar berichten mussten, war nicht zu bestreiten, dass sich die Wirtschaft und die Finanzmärkte weltweit stabilisiert hatten. Der Oktober-Crash ’87 gehörte
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