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Grave Mercy Die Novizin des Todes

Grave Mercy Die Novizin des Todes

Titel: Grave Mercy Die Novizin des Todes
Autoren: LaFevers Robin L
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Fragen, aber als ich mich wieder umdrehe, um eine davon zu stellen, sehe ich, dass in dem Bett am Fenster auf der anderen Seite des Raums jemand liegt.
    Zuerst bin ich froh, froh darüber, nicht die Einzige zu sein, um die sie sich kümmern müssen. Und dann sehe ich, dass das andere Mädchen mit den Handgelenken ans Bett gefesselt ist.
    Panik steigt in mir auf, scharf und heiß. Es muss mir anzusehen sein, denn Annith dreht sich um und folgt meinem Blick. »Das ist nur, damit sie sich nicht selbst verletzt«, beeilt sie sich zu erklären. »Sie wurde vor drei Nächten hierhergebracht, und sie hat um sich geschlagen und geschrien. Es waren vier Nonnen nötig, um sie festzuhalten.«
    Mein Blick wandert zu dem Mädchen zurück. »Ist sie wahnsinnig?«
    »Vielleicht. Mit Sicherheit haben die Leute das gedacht, die sie hergebracht haben.«
    »Hat man sie der gleichen Prüfung unterzogen wie mich?«
    »Es geht ihr noch nicht gut genug, um geprüft zu werden, aber es wird geschehen, sobald es ihr besser geht.«
    Als ich wieder zu dem Mädchen hinüberschaue, sehe ich, dass ihre Augen offen sind und sie uns anstarrt. Langsam breitet sich ein Lächeln aufihrem Gesicht aus. Das ist noch beunruhigender als die Fesseln an ihren Handgelenken.

V ier
    EINIGE ZEIT SPÄTER ERWACHE ich davon, dass mir jemand übers Haar streicht. Die Berührung ist sanft und tröstlich, und ich staune über das Gefühl, das eine Berührung weckt, die nicht wehtut. Offensichtlich hat der Heiltrank geholfen.
    »Armes Püppchen«, gurrt eine leise, kehlige Stimme. Da ich noch immer halb schlafe, brauche ich einen Moment, um zu begreifen, dass die Stimme weder Annith noch Schwester Serafina gehört. Sofort bin ich hellwach. Das Bett gegenüber ist leer, die Handgelenkfesseln baumeln lose daran herunter.
    »Armes Püppchen«, murmelt abermals das Mädchen, das an meinem Bett kniet, und Furcht regt sich in meiner Brust.
    »Wer bist du?«, flüstere ich.
    Sie beugt sich näher zu mir. »Deine Schwester«, flüstert sie zurück. Ihre Worte vertreiben die letzten Reste des Schlafs. Ihr Haar ist ein wilder mitternachtsschwarzer Schopf und fällt ihr über Schultern und Rücken. Das schwache Mondlicht offenbart eine Prellung aufihrem Wangenknochen und eine Schnittwunde an der Lippe. Ich frage mich, ob sie die Verletzungen von den Nonnen hat oder ob sie sie bereits bei ihrer Ankunft hatte. »Meinst du, du wurdest ebenfalls vom heiligen Mortain gezeugt?«
    Sie lacht leise, ein beängstigendes Geräusch, das mir eine Gänsehaut beschert. »Nein, ich meine, dass wir vom Teufel selbst gezeugt wurden. Das sagt jedenfalls mein gnädiger Herr Vater.«
    Es ist genau das Gleiche, das die Dorfbewohner mein Leben lang von mir behauptet haben, aber ich stelle fest, dass die Worte nicht länger wahr klingen. Die Offenbarung der ehrwürdigen Mutter hat etwas tief in mir verändert, hat eine Hoffnung geweckt, die in all diesen Jahren verborgen geschlummert hat. Plötzlich brenne ich darauf, das Mädchen davon zu überzeugen, dass sie sich irrt, geradeso wie die ehrwürdige Mutter mich überzeugt hat. Ich richte mich auf, sodass ich eher sitze als liege. Ihre Hände gleiten von meinem Haar.
    »Dein gnädiger Herr Vater irrt sich.« Mein Flüstern ist so grimmig, dass es mir in der Kehle kratzt. »Wir sind von Mortain gezeugt worden. Von Ihm auserwählt, um Seine Befehle auszuführen. Dein Vater, die Kirche, sie alle haben gelogen.« Während ich in ihr gehetztes, zerschundenes Gesicht schaue, verspüre ich den verzweifelten Wunsch, sie zu überzeugen. Aus meiner Brust diese kleine, verheißungsvolle Flamme zu nehmen und sie in ihrer zu entzünden.
    Ein Funke des Interesses flackert in ihren Augen auf, doch er erstirbt schnell wieder. Sie deutet mit dem Kopf auf die Tür. »Sie machen die Runde. Bis später.« Sie springt auf und hüpft dann auf das Bett neben mir und von dort aus die Reihe entlang bis zu ihrem.
    »Halt!«, ruft Schwester Serafina von der Tür aus. Bei dem befehlenden Unterton in ihrer Stimme gefriert mir das Blut in den Adern, aber das Mädchen hält nicht einmal inne. Sie springt anmutig wie ein junges Reh dem offenen Fenster entgegen, ein vorwitziges Glitzern in den Augen.
    Zwei weitere Nonnen erscheinen hinter Schwester Serafina, und sie alle sind ganz auf das fliehende Mädchen konzentriert. »Halt, Sybella«, ruft die größte der Nonnen. Ihre Stimme ist melodisch und so besänftigend, wie ich mir die Liebkosung einer Mutter vorstelle. Das widerspenstige
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