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Grappa 10 - Zu bunt für Grappa

Grappa 10 - Zu bunt für Grappa

Titel: Grappa 10 - Zu bunt für Grappa
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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erschreckt über den Felssturz nach unten fallen, um mit der nächsten Luftströmung wieder nach oben gewirbelt zu werden. Ich hörte ferne Nachtigallen schluchzen und Stieglitze in den Mandelbäumen plappern.
    Im Westen türmten sich bewaldete Kalkfelsen auf. Da oben war ein schönes Plateau mit Steineichen, Zystrosen, Lavendelfeldern und einer endlos erscheinenden Garrigue, aus der steinerne Ruinen und Rundbauten herauslugten.
    Diese Landschaft prahlte nicht mit dem perfekten Winkel ihrer Zypressen zum Horizont, sie war nicht stolz auf den sanften Übergang des glatten Blaus ihres Himmels ins gekräuselte Grün des Waldes.
    Ich atmete durch. Es wurde Zeit, an den Abstieg zu denken. Das Auto musste reisefertig gemacht, die Wohnung aufgeräumt und der Schlüssel abgegeben werden.
    Merkwürdig, dass ich bisher nie jemanden zu dieser Stunde hier getroffen hatte. Das liegt an den Ferien, dachte ich, die Leute stehen spät auf und für die Einheimischen besaß eine Klettertour auf den Felsen schon längst keinen Reiz mehr.
    Meine Schritte waren zögerlich auf dem Weg nach unten. Ich folgte dem leichten Bogen einer Mauer aus Naturstein, die so niedrig war, dass sie die Landschaft nicht den Blicken entzog.
    Mit den Fingerspitzen berührte ich die Kräuter, die sich in den Ritzen der Steine angesiedelt hatten, zupfte einige Stängel ab, zerrieb sie zwischen den Fingern, sog den Duft ein, schloss die Augen.
    Das Geräusch schreckte mich auf. Ein Knistern im Gebüsch. Instinktiv trat ich einen Schritt zurück, die Mauer war in meinem Rücken. Ein riesiger hellbrauner Hund baute sich drohend vor mir auf. Sein Knurren ließ auf wenig gute Laune schließen und den unbedingten Willen, mich auf keinen Fall ungeschoren vorbei zu lassen.
    Ich überlegte. Einfach weiter zu gehen erschien mir zu riskant, stehen zu bleiben hatte ebenfalls wenig Sinn. Mein Blick glitt durch die Gegend. Das Monster schien allein hier herumzustreunen, kein Herrchen oder Frauchen. Das Tier hatte noch nicht mal ein Halsband, geschweige denn eine Hundemarke. Wir waren schließlich in Frankreich auf dem Land, da wo sich kaum einer um Leinenzwang oder Hundesteuer scherte.
    Der Abstand zwischen dem Köter und mir betrug etwa zweieinhalb Meter. An unser beider Körperhaltung hatte sich nicht viel geändert. Er fixierte mich, ich tat umgekehrt dasselbe. Er war kräftig, sein Fell war eine Melange von Dunkel- und Hellbraun, seine rechte Pfote fiel auf, denn sie war schneeweiß, der Übergang des hellen ins braune Fell war unregelmäßig gezackt. Doch die Farbe der Pranken machte mir weniger Sorgen als die langen Krallen der Bestie.
    Wo gab es einen Fluchtweg? Die Mauer in meinem Rücken half mir nicht – ganz im Gegenteil. Einen Stock hatte ich nicht dabei, auch keine Jacke, die ich um meinen Arm wickeln konnte, so wie ich es beim Schäferhundetraining mal gesehen hatte. Außerdem gab mir niemand eine Garantie, dass mich das Biest nicht in die Waden oder in andere edle Teile meines Bodys biss.
    Ich beschloss, es mit Reden zu versuchen. Das konnte ich schon immer gut. Du kannst jemanden tot quatschen – mir fiel einer von Peter Jansens Lieblingssprüchen ein. Jansen war mein Kollege und er hätte sich sicher krumm gelacht, mich in dieser ausweglosen Situation zu sehen. Also los!
    »Ah, bonjour, mon petit chou-chou«, begann ich mit leicht zitternder Stimme. »Tu es si beau, tu es un très joli chien ...«
    Es passierte nichts. Das Tier spitzte lediglich die Löffel.
    »Tu es le plus beau chien du monde«, stammelte ich.
    Jetzt knurrte er wieder, ich hatte wohl maßlos übertrieben mit meinen Schmeicheleien.
    »Verpiss dich, du Pinscher«, bemühte ich meine Muttersprache. »Oder es passiert was.« Mein Ton war härter geworden.
    Endlich ein Erfolg. Er stand auf die harte Nummer. Muss wohl ein Rüde sein, dachte ich, er hört auf knappe, eindeutige Befehle.
    Das Tier legte sich nieder, den Kopf auf den Pfoten. Die gelben Augen blieben dennoch an mir haften.
    Mutig trat ich einen Schritt vor. Sofort erhob sich der Hund, doch er knurrte nicht mehr.
    Ich ging auf ihn zu, verfiel aber wieder in dieses dämliche ›Ah! Mon petit chou-chou‹, versicherte ihm nochmals, dass er der schönste Hund der ganzen Welt sei, dass er um Himmels willen ruhig bleiben sollte, dass ich eine bekannte Tierschützerin aus Deutschland sei, die regelmäßig Reportagen über Tierheime und geschlagene Hunde anfertigt, und so weiter.
    Dann hatte ich das Tier überzeugt. Der Braune ließ mich
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