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Grappa 10 - Zu bunt für Grappa

Grappa 10 - Zu bunt für Grappa

Titel: Grappa 10 - Zu bunt für Grappa
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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mir her – direkt zu Rosalies Haus.
    Ich überlegte. Cortez hatte mir erzählt, dass sie wieder zu Hause sei. Sollte ich sie besuchen?
    Ich pochte an die Tür. Es gab da noch ein paar Dinge, die ich gern klären wollte.
    Nach einer Weile knarrte die Holztür und öffnete sich langsam. Die wachen Augen der alten Frau blickten mich an.
    »Bonjour, Rosalie« , begann ich. »Comment allez-vous?«
    Sie ließ mich hinein.
    Ich erkundigte mich nach ihrem Gesundheitszustand, der leidlich zu sein schien. Sie habe nur noch ab und zu Kopfschmerzen.
    Ich erinnerte mich plötzlich an einen Satz, den sie bei meinem Besuch im Krankenhaus gesagt hatte. Das war kurz nach dem Überfall gewesen. Rosalie hatte von Strafe gesprochen und dabei Prébois, den Melonenmann, gemeint. Ich sprach sie darauf an.
    Die alte Frau kicherte. »Maintenant – la vengeance est termineé« , sagte sie dann.
    Ich erkundigte mich, was sie mit »Rache« meine.
    »Dites enfin ce que vous voulez et ne tournez pas autour du pot.« Sie forderte mich auf, nicht wie die Katze um den heißen Brei herumzuschleichen. Ihre Stimme war plötzlich hart und jung. Sie wollte es also wissen. Kein Problem.
    »Sie haben Prébois erledigt«, sagte ich.
    »Exactement« , gab sie zu.
    »Erzählen Sie!«
    »Prébois hat das Bild bei mir vermutet. Er brach ins Haus ein, griff mich an. Ich habe ihn erschossen. Es war ... wie sagt man? ... légitime défense ... Notwehr.«
    »Und warum haben Sie das nicht der Polizei erzählt?«, wollte ich wissen. »Niemand hätte Sie dafür bestrafen können.«
    »Das ging nicht«, behauptete sie. »Dann hätten alle gewusst, dass wir das Bild haben.«
    »Antonio hat die Leiche ins Melonenfeld geworfen?«
    »Ja«, kicherte sie. »Prébois liebte die Melonen doch so sehr. Bis in den Tod.«
    Ich atmete tief durch. In welchem Film war ich?
    Vor mir saß eine verschrumpelte alte Frau, die Komplizin eines Fälschers war, die mit einer Waffe herumgeballert und auch noch getroffen hatte. Meine Menschenkenntnis hatte mich in dieser Geschichte schnöde im Stich gelassen.
    »Ich glaube Ihnen kein Wort«, versuchte ich es noch mal, »Antonio hat das alles allein getan – und Sie wollen ihn nur schützen.«
    »Oh là là!« , meinte Rosalie ärgerlich. »Vous êtes un peu bornée!«
    Ich überhörte die Beleidigung. »Können Sie überhaupt mit einer Waffe umgehen?«
    »Bien sûr« , sagte sie. »Jede Frau in Argentinien kann schießen. Außerdem – ich war im Training.«
    Ich sah sie fragend an.
    »J'ai tué les boches.«
    »Sie haben Kolatschke und seine Frau umgebracht?«
    Jetzt drehte sie langsam durch.
    »Sie haben mich jahrelang ausgeraubt. Sie sind in mein Haus gekommen und haben mich bestohlen. Sie waren schlechte Menschen. Sie haben den Tod verdient.«
    »Unmöglich. Die Polizei sagt, dass es Mord und Selbstmord war.«
    » Ils se sont trompés . Ich habe dem Mann die Waffe in die Hand gelegt. C'est ça! «
    Ich hatte genug gehört. Was sollte ich tun? Mit den Informationen zur Polizei rennen?
    Unmöglich. Niemand würde Rosalie glauben. Und mir schon gar nicht.
    Ich muss raus hier, dachte ich, nichts wie weg – und zwar ganz weit.
    »Ich fahre wieder nach Hause«, sagte ich. »Au revoir.«
    Rosalie Marengo blickte mich an. Ihr Blick war ehrlich und verbarg nichts vor mir. »A bientôt, ma petite« , lächelte sie. »Je vous souhaite un bon voyage.«
    Hastig griff ich nach meiner Handtasche, nahm die Jacke an mich. Mir war kalt.
    Mapucho sprang an mir hoch und begleitete mich bis vor die Tür. Er jaulte und wedelte mit dem Schwanz, als ich ihn – ein letztes Mal – mon petit chou-chou – nannte und mich in meinem geschliffenen Hundefranzösisch von ihm verabschiedete.
    Mir wurde leicht ums Herz, als ich den Abstieg hinter mir hatte, in mein Auto kletterte und startete. Da ich keinen Flug gebucht hatte, würde ich den Mietwagen erst in Deutschland abgeben. Cortez hatte ihn schließlich bezahlt – und konnte ihn sich auch leisten – mit schlappen fünfzig Millionen im Koffer.
    Die Sonne war tiefgolden und abendlich, die ersten Fledermäuse gingen auf Insektenjagd, der Lavendel ließ ein wenig die Köpfchen hängen, die Steinmauern leuchteten von innen. Die Straße zum Plateau de Claparèdes war leer, nur einige Eichelhäher schossen durch die Luft – knapp über der Fahrbahn.

Soll man sich für einen gefährlichen Menschen halten, der zu nichts taugt? Ich glaube nicht. Vielmehr geht es darum, mit allen Mitteln zu versuchen, gerade aus diesen
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