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Grappa 10 - Zu bunt für Grappa

Grappa 10 - Zu bunt für Grappa

Titel: Grappa 10 - Zu bunt für Grappa
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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mein Part wesentlich heldenhafter ausfiel.
    »Du hast den Köter ohnmächtig gelabert«, schloss Jansen messerscharf, »das verkraften Männer natürlich nicht. Besonders die, auf die du normalerweise stehst. Diese oberflächlichen Schwätzer mit gutem Aussehen und der eleganten Leere im Herzen.«
    »Ich will einen Jäger und bleibe immer wieder an einem Sammler hängen«, gab ich zu. »Vermutlich, weil's keine Jäger mehr gibt. Schlepp mir einen an und ich nehme ihn sofort. Egal, wie er aussieht.«
    »Wahre Größe liegt sowieso im Verzicht«, dozierte mein Chef. »Arbeite und bete, Grappa! Wenn's ganz eng wird, kannst du ja auch eine Anzeige in der Zeit aufgeben. Unter Bekanntschaften.«
    »Für das, was ich von einem Mann zurzeit haben will, reichen die St. Pauli-Nachrichten. Unterhalten kann ich mich mit mir selbst und aufwachen will ich morgens nur noch neben mir. Vielleicht versuch ich's wirklich mal mit einem netten Haustier. Das ist mit Dosenfutter zufrieden, stellt keine dummen Fragen und trinkt mir meinen Wein nicht weg.«
    Jansen prustete los, ein paar Kaffeespritzer landeten auf dem Zeitungsstapel auf meinem Schreibtisch.
    »Und jetzt raus hier«, sagte ich. »Ich muss meine Post durchsehen und ein bisschen aufräumen. Und dann überlege ich mir ein Konzept für diese verdammte Serie.«
    Auf meinem Schreibtisch konkurrierten ungelesene Zeitungen und verschlossene Post miteinander. Ich begann die Blätter der vergangenen Tage zu überfliegen, um auf dem Laufenden zu sein. Während meines Urlaubs war in dieser Stadt nicht viel passiert. Der Wahlkampf hatte begonnen, die örtlichen Kandidaten hatten plötzlich wieder Interesse an denen, auf deren Stimmen sie erpicht waren. Um diese Leute sollte sich auch jene elende Serie drehen, die mir Jansen aufs Auge gedrückt hatte. Ich sollte menschlich-sensible Porträts der Wahlbewerber stricken. Das hieß, in den nächsten Wochen in Unehrlichkeit, Eitelkeit, Geltungstrieb, Dummheit und Arroganz umherzuwaten. Manchmal hasse ich meinen Beruf.
    Schlecht gelaunt schubste ich meinen Kaffeebecher beiseite, prompt fiel er um und die Brühe ergoss sich über die Zeitungsseite, die ich gerade las. Ich versuchte, den Fluss des Kaffees mit einem Papiertaschentuch zu stoppen – und stutzte plötzlich. Mein Blick war auf eine Notiz gefallen, die als Einspalter unten links eingeklemmt war. Hastig tupfte ich den Kaffee auf.
    Tragödie in der Provence – stand da. Darunter wurde über den Tod eines gewissen Theodor Kolatschke und seiner Lebensgefährtin Isadora Neumann berichtet. Die Meldung war knapp und an Fakten orientiert geschrieben. Die schnörkellose Sprache des Berichtes brachte in meinem Kopf das Klingen der Rotweingläser zurück und den Klang vertrauter Gespräche in nach Ginster duftender Luft. Alles war schon wieder so weit weg gewesen, verschwommen in dubioser Erinnerung. Um nicht zu sagen: erfolgreich verdrängt.
    Ich las die Meldung noch einmal. Wer waren Theodor Kolatschke und Isadora Neumann? In dem Zeitungsbericht stand nichts darüber. Auf jeden Fall mussten sie aus unserer Gegend stammen, sonst hätte unser Blatt den Tod der beiden nicht zur Kenntnis genommen.
    Schnell sah ich meine Post durch. Neben den üblichen Beschimpfungen, die sich auf meine respektlosen Artikel bezogen, gab es Schreiben von Menschen, die mir ihre Lebensgeschichte gegen Geld zur Vermarktung anboten – von dem seit zwanzig Jahren gegen Kliniken prozessierenden Frührentner bis zu der Versicherungsangestellten, die es in ihrem vierzigjährigen Leben auf rund achtzig Männer gebracht hatte. Das war wirklich eine stramme Leistung! Ich rechnete durch – und kam für mich gerade mal auf fünfzehn. Irgendwas ist in deinem Leben schief gelaufen, Grappa, dachte ich und griff zum nächsten Brief.
    Er war von einem Mann, der in der Computerbranche arbeitete und meine Artikel brillant fand. Geschmeichelt las ich weiter und stockte: Mein gutes Stück ist 22,5 Zentimeter lang , stand da in blassblauer Schrift, bisher waren alle Frauen überrascht bis irritiert. Ich hoffe, Sie sind mutiger. Ich suche eine ›liaison dangereuse‹ zu einer Frau wie Ihnen.
    Im letzten Satz des Briefes stellte er dann die Zusendung eines aussagekräftigen Fotos in Aussicht. Ich überlegte gerade, welcher Körperteil auf dem Foto wohl abgebildet sein würde, als es klopfte.
    Es war Boris Thaler, der Nachwuchsschreiber, der scharf auf meine Storys war.
    »Hallo, Frau Kollegin«, begann er. »Ich hoffe, Sie hatten einen
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