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Grappa 06 - Grappa und der Wolf

Grappa 06 - Grappa und der Wolf

Titel: Grappa 06 - Grappa und der Wolf
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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schwarzer Humor«, sagte ich und ließ ihn stehen.

Keine Carlotta
    Endlich allein. Ich öffnete die Fenster meines Zimmers und atmete durch. Die Luft war kühler als in Spanien, nicht so seidig und fest. In der Post, die sich während meines Urlaubs angesammelt hatte, befand sich nichts Besonderes. Ich startete die Kaffeemaschine und wartete, bis die schwarze Brühe in die Glaskanne gelaufen war. Süßstoff und Milch in die Tasse, der harte Arbeitstag einer Zeitungsjournalistin konnte beginnen.
    Eigentlich mochte ich meinen Job. Immer interessant, jeder Tag verlief anders, der Stress hielt mich fit und gesund. Klar, nicht jeden Tag gab es die superheißen Storys, die tollen Stoffe, die die Welt oder zumindest die Stadt veränderten. Aber ab und zu hatte ich Glück gehabt und eine Wahnsinnsgeschichte an der Angel. Der spanische Fenstersturz würde dazu gehören – ich spürte es körperlich. Ich drehte die vergoldete Puderdose in der Hand. Leichen, die verschwinden, Sachertorten, die aus Moskau kommen, und ein Mann, der Telefongespräche einer Frau unterbricht, die ganz offensichtlich Angst hat.
    Nach ein paar Schlucken Kaffee drückte ich die sieben Ziffern aus der Puderdose in die Tastatur meines Telefons. Dreimal ging der Ruf raus, dann wurde der Hörer abgehoben. Mein Herz klopfte.
    »Krause«, meldete sich eine dünne Männerstimme. Es war nicht der Mann, der Carlotta den Hörer aus der Hand genommen hatte.
    »Guten Tag«, säuselte ich, »mein Name ist Müller. Kann ich bitte Frau Carlotta Roja sprechen?«
    »Da sind Sie bei mir nicht richtig«, stellte der Mann fest. »Dies ist nicht der Anschluss von Frau Roja.«
    »Sie hat mir diese Nummer aber gegeben«, widersprach ich.
    »Das kann gut sein«, sagte er, »das war dann aber vor meiner Zeit. Frau Roja arbeitet nicht mehr bei uns.«
    »Seit wann?«
    »Ich weiß nicht. Ich sitze erst seit gestern in dieser Abteilung. Kann ich Ihnen helfen, oder ist es etwas Privates?«
    Ich überlegte. »Es geht um etwas Dienstliches«, versuchte ich, »Frau Roja hat eine Bestellung aufgegeben, von der ich nicht weiß, ob …«
    »Das geht über unsere Disposition«, sagte er, »die können Ihnen bestimmt weiterhelfen. Augenblick. Ich verbinde Sie!«
    Eine kurze Warteschleife, in der Mozarts »Kleine Nachtmusik« malträtiert wurde.
    »Hilfe ohne Grenzen«, flötete eine Frau, »mein Name ist Baumann. Was kann ich für Sie tun?«
    Hilfe ohne Grenzen! Carlotta Roja hatte bei einer Wohlfahrtsorganisation gearbeitet. Auf diese Idee wäre ich zuletzt gekommen. Sachte legte ich den Hörer auf.

Hähnchen auf der A 1
    An diesem ersten Arbeitstag war ich für die Blaulicht-Einsätze unserer aktuellen Reporter und freien Mitarbeiter zuständig. Kein aufreibender Job – falls es keine Erdbeben, Vulkanausbrüche, Flutwellen, Wirbelstürme, Flugzeugabstürze oder Massenkarambolagen geben würde. Ich hatte ein bisschen zu koordinieren und die Ereignisse zu gewichten, ganz streng nach den fünf großen journalistischen W: Wer? Was? Wo? Warum? Wie?
    Ich hockte also gemütlich an meinem Schreibtisch, las den neuesten Kriminalroman eines Autors aus der Nachbarstadt, der mich intellektuell nicht überforderte, und schaute ab und zu auf mein Telefon. Zwei Stunden wollte ich noch warten, wenn sich bis dahin nicht freiwillig einige Horror-Nachrichten gezeigt hatten, würde ich selbst aktiv werden müssen. Gesucht war alles, was blutig, gewalttätig oder skurril war.
    Heute hatte ich mal wieder Glück. Einer unserer ›Bluthunde‹, er hieß Willibald Wurbs, war heute früh zu einem Unfall auf der A 1 gebrettert und schon vor dem Rettungswagen da gewesen. Über sein Handy nahm er Kontakt zu mir auf.
    »Autobahn A 1 Richtung Wuppertal, zwischen Gevelsberg und Schwelm, Lkw kippt um, zwei Verletzte, Vollsperrung zwei Stunden, Interesse?«
    Um Zeit zu sparen, referierten die Bluthunde meist im Telegrammstil.
    »Tote?«, fragte ich.
    »Kann noch werden«, meinte er.
    »Ladung?«
    »Tiefkühlhähnchen.«
    »Geil! Hast du sie im Bild?«
    »Eine Tonne Flattermänner. Gut verteilt auf der Fahrbahn.«
    »Gekauft. Sonst noch was?«
    »Rentner verbrannt. Essen-Kettwig.«
    »Warum?«
    »Im Bett geraucht.«
    »Rauchen ist schädlich. Aber keiner will's mir glauben.«
    Willi Wurbs lachte. »Ich wusste, dass du so was nicht nimmst. Was würdest du aber sagen, wenn der Mann sich hätte retten können, wenn man ihm nicht vor einem halben Jahr ein Raucherbein amputiert hätte?«
    »Na also«, lobte ich, »genau
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