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Grappa 06 - Grappa und der Wolf

Grappa 06 - Grappa und der Wolf

Titel: Grappa 06 - Grappa und der Wolf
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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lächeln zu hören.
    »Wer sind Sie?«
    »Wenn Sie darauf bestehen, nenne ich Ihnen irgendeinen Namen.« Jetzt kicherte er leise.
    »Glauben Sie wirklich, dass ich meine Wohnung verlasse, nur weil ein Spinner wie Sie es will? Sie träumen wohl!«
    »Sie sollten nicht so unfreundlich zu mir sein«, verlangte er, »ich will Ihnen doch nur helfen. Haben Sie nicht heute nach Carlotta Roja gefragt?«
    »Wie kommen Sie auf diesen Namen?«, wunderte ich mich.
    »Das ist meine Sache. Also – werden Sie in den Wald gehen?«
    »Werde ich etwa Carlotta Roja dort treffen?«, startete ich einen Versuch.
    »Lassen Sie sich überraschen. Das, was Sie finden, wird Ihnen gefallen. Sie sind doch Journalistin, oder irre ich mich?« Der Mann hatte jetzt einen etwas schärferen Ton, irgendwie bezwingend.
    »Ich werde hingehen, aber ich werde vorher die Polizei informieren. Ich mag solche Spielchen nicht.«
    »Sie können mitbringen, wen Sie wollen. Ich würde Ihnen eher raten, eine Kamera oder einen Fotoapparat mitzunehmen.« Er blieb gelassen. »Auf Wiederhören, Frau Grappa. Und viel Vergnügen im Wald! Ich werde mich wieder bei Ihnen melden.«
    Das war's. Ich schaute auf die Uhr. Es war kurz nach halb neun und noch einigermaßen hell draußen. Ich brannte darauf, den Waldspaziergang zu unternehmen, und zwar noch heute.
    Ich schlüpfte aus meinen Pumps, angelte die Jeans aus dem Kleiderschrank, ein Sweatshirt drüber und flache Joggingschuhe an. Irgendwo musste die Taschenlampe herumliegen – da war sie, ich überprüfte die Batterien. Jetzt fehlte noch meine Polaroidkamera. Ich kramte meinen Schrank durch und fand sie schneller als erwartet. Ein Film war auch noch drin. Also los!
    Schon im Türrahmen stehend, hatte ich eine blendende Idee. Willibald Wurbs! Ihn würde ich mitnehmen. Er war immer geil auf heiße Storys, über 1,80 Meter groß und mir noch den einen oder anderen Gefallen schuldig.
    »Hi, Willi«, flötete ich durch den Hörer des Mobiltelefons, »hast du mal gerade anderthalb Stunden Zeit?«

Der Mann im Wald
    Die Sonne war kurz davor, hinter die Bäume zu kippen, doch noch reichte das Licht. Willi Wurbs hatte seine Kamera geschultert, und los ging's. Ich parkte vor dem Wildgehege, dessen Wärter gerade das Tor schloss. In der Ferne sah ich die Geweihe von Hirschen. Wir trabten in Richtung Wald.
    »Hier ist der Weg«, erkannte ich, »nach 500 Metern gabelt er sich. Komisch, ich habe irgendwie Angst. Hoffentlich ist alles falscher Alarm.« Doch daran glaubte ich selbst nicht.
    Willi Wurbs setzte seinen massigen Körper auf die Mitte des Waldweges und rannte los. »Wir müssen uns beeilen«, sagte er, »gleich ist das Licht weg. Ich habe an der Kamera nur eine kleine Lampe.«
    Rechts und links streckten sich Buchen in die Höhe, die letzten Strahlen des Sonnenlichtes warfen gespenstische Schatten auf den weichen Waldboden. Es roch nach feuchter Erde.
    »Hier ist die Gabelung, jetzt müssen wir uns rechts halten.« Der Weg wurde schmaler und war nicht mehr so gut gepflegt. Ein leichter Wind kam auf und bewegte große Farnwedel, die mit ihrem hellen Grün das Unterholz freundlicher machten. Ich hörte das Hämmern eines Spechtes und den Schrei eines Vogels, den ich für eine Eule hielt. Die Szenerie war unheimlich.
    Willi Wurbs keuchte. Das Gewicht der Sony auf seiner Schulter machte sich bemerkbar. Am rechten Arm baumelte außerdem noch der Kasten mit der Fotoausrüstung. Willi war technisch bestens ausgerüstet. Mit der Fernsehkamera machte er Filme für den Kommerzsender Tele Modern Life – kurz TML genannt. An manchen Tagen verdiente der Bluthund mehr als ich in einem Monat.
    Ich schnupperte. Leichter Aasgeruch zog in meine Nase. Auch Willi hatte seinen Riecher gekräuselt. Stumm sahen wir uns an. Willi schaltete das Licht seiner Kamera an und lief ins Unterholz. Ich hinterher. Mein Magen war ein schmerzendes großes Loch.
    Plötzlich blieb Willi stehen. »Hier!«
    Ich trat hinter ihn und atmete auf. Ein Reh lag dort. Halb verwest, mit einem gebrochenen Bein, das es weit von sich gestreckt hatte. Schmeißfliegen und anderes Getier hatten sich über den Kadaver hergemacht. Zum Glück wehte der Wind den süßlichen Verwesungsgeruch jetzt in die entgegengesetzte Richtung.
    »Armes Tier«, meinte ich, »hat sich verletzt hierher geschleppt. Diese verdammten Autofahrer.«
    Wir liefen wieder zurück und folgten weiter dem Weg. Er endete auf einer Waldlichtung, die ringsum von Himbeergesträuch umgeben war.
    Da sahen wir
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