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Grappa 06 - Grappa und der Wolf

Grappa 06 - Grappa und der Wolf

Titel: Grappa 06 - Grappa und der Wolf
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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wenigen Frauen im Raum nicht extra begrüßte – daran hatten sich alle gewöhnt. Er tat es nicht, weil er etwas gegen Journalistinnen hatte – ganz im Gegenteil. Vielen jungen Damen hatte er im Laufe der Jahre den Weg zum Journalismus gezeigt – in seiner zupackenden, väterlichen Art.
    Nachdem WC Knall die Ausgabe des heutigen Tages gelobt hatte – »Weiter so, meine Herren!« –, wurde das Programm des Tages abgespult.
    »Was liegt heute an?« Auch diese Frage gehörte zum morgendlichen Ritual. Der Redakteur der Seite ›Aus aller Welt‹, Amadeus Viep, krabbelte in seinen Zetteln. Er war jeden Morgen als Erster an der Reihe. Viep gehörte zu den frustrierten Ideologen, die noch heute davon zehrten, dass sie in den 70ern an Vietnamdemonstrationen teilgenommen hatten und fast von einem polizeilichen Wasserwerfer getroffen worden waren. Damit war sein persönlicher Beitrag zum politischen und gesellschaftlichen Widerstand geleistet.
    »Als aktuellen Aufmacher habe ich eine Geschichte eingekauft, die wieder einmal ein Licht auf den Zustand unserer Gesellschaft wirft«, begann Viep, »es geht um einen aidsinfizierten Asylbewerber aus Nigeria, der seine Papiere verloren hat. Jetzt droht ihm die sofortige Abschiebung, er ist in Abschiebehaft genommen worden. Ich finde, wir sollten dafür kämpfen, dass der Mann bleiben darf oder wenigstens bis zu seiner Rückkehr in die Heimat eine menschenwürdige Unterkunft bekommt und …«
    »Papperlapapp!« WC Knall haute auf den Tisch. Sein Kinneskinn vibrierte. »Menschenskind, Viep! Nicht immer diese Jammergeschichten! Vor zwei Tagen erst lief auf der ›Welt‹ die herzzerreißende Story über die Rollstuhlfahrerin, die im fünften Stock in einer Sozialwohnung haust. Klar, dass die gerne eine Parterre-Villa im Grünen mit Swimmingpool hätte. Aber für was soll unsere Gesellschaft nicht noch alles zuständig sein? Wenn Sie meine Steuerabzüge kennen würden! Ich persönlich ziehe fünf oder sechs solcher Leute mit durch. Nein, Viep! So geht's nicht! Wir tragen zwar eine gewisse Verantwortung sozial schwachen Menschen gegenüber, aber was zu viel ist, ist zu viel. Das Leben besteht nicht nur aus Jammergestalten und Jammergeschichten. Also lassen Sie sich was Besseres einfallen.«
    Die Kollegenschaft hatte sich unter dem Geprassel seiner Worte in die Stühle gedrückt.
    »Ich habe da eine bessere Idee. Heute Nachmittag wird auf das Grab der verstorbenen Brauereibesitzerin Veitmann ein Gingko-Baum gepflanzt«, teilte WC mit, »ich erwarte, dass wir morgen darüber berichten. Aus dem Archiv können Sie genug Daten abfragen über das Leben dieser Frau. Immerhin handelt es sich um eine alteingesessene Familie aus unserem Verbreitungsgebiet. Und das Bier kennt auch jeder. Erhebt sich Widerspruch?«
    Niemand regte sich. Alle kannten die freundschaftliche Verbindung zwischen WC und dem Bierwitwer, die bei gemeinsamen Jagdabenteuern begann und bei Besuchen in einschlägigen Nobelbars und Saunas endete.
    Ich dachte an meine Mordgeschichte. Nein, in dieser Runde davon zu erzählen, wäre schädlich. Außerdem hatte ich noch nicht genug Fakten. Also hielt ich den Mund. Ich werde mit Peter Jansen darüber reden, dachte ich.
    Peter Jansen trug anschließend das Programm der Politikseite vor. Die rot-grüne Koalition und ihre Aktivitäten waren seit der letzten Landtagswahl Dauerbrenner. Heute würde WC höchstpersönlich den Beschluss des Kabinetts kommentieren, einige Regionalflughäfen im Lande zu schließen. Zum Glück war der Bierstädter Airport nicht dabei, den ich gerne benutzte, wenn mir mal wieder nach südlicher Sonne war. Ich gähnte verstohlen. Die Konferenz wollte gar kein Ende nehmen. Bleierne Müdigkeit drückte meine Lider auf die Augäpfel. Heute lasse ich es langsam angehen, nahm ich mir vor, der Urlaub war wohl doch zu kurz gewesen.
    »Ich hatte eigentlich deine Unterstützung erwartet«, nörgelte Viep auf dem Flur.
    »Wobei?«, meinte ich geistesabwesend.
    »Bei der Geschichte mit dem Asylbewerber!«
    »Irgendwann können die Leute solche Geschichten nicht mehr ertragen«, gab ich zurück. »Auch wenn ich zugebe, dass sie wichtig sind. Vielleicht kannst du dem Mann ja privat helfen – bei deinen Verbindungen!«
    »Hast du was gegen Schwarze?«
    »Lass gut sein, Amadeus«, winkte ich ab. »Ich hab absolut nichts gegen Schwarze – besonders wenn sie männlich und gut gebaut sind.«
    »Das war eine rassistische Äußerung!«, empörte sich Viep.
    »Nein, das war
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