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Grappa 06 - Grappa und der Wolf

Grappa 06 - Grappa und der Wolf

Titel: Grappa 06 - Grappa und der Wolf
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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rückten zur Seite, als ich dreitausend Peseten über die Theke schob. Die Luft hier drinnen war teerhaltig, auf dem Steinboden lagen Zigarettenstummel und Papiere von Zuckerstückchen.
    »Die Frau am Fenster haben Sie wohl auch nicht gesehen?«, versuchte ich es noch einmal, als mir der Barmann einen Teller mit Münzen zurückschob.
    Er sah mich überrascht an. »Vergessen Sie es«, meinte er dann, »unser Wein ist rein und gut für die Gesundheit, und morgen sieht alles ganz anders aus.« Ich resignierte, ließ die Münzen auf dem Teller und verschwand.
    Das Hotel, in dem ich wohnte, war vielleicht fünfhundert Meter entfernt. Ich überquerte die Straße und schlenderte an dem grauen Haus vorbei. Auf dem Bürgersteig lagen Glassplitter. Also doch! Ein paar Schritte weiter, gerade neben dem Bordstein, glänzte etwas Goldenes. Ich sah genauer hin. Es war eine Puderdose, deren Deckel offen stand. Ich hatte nicht den Mut, mich einfach zu bücken, öffnete rasch meine Tasche, suchte etwas, das ich unbemerkt fallen lassen konnte. Meinen Zimmerschlüssel! Er klirrte zu Boden, ich ging in die Hocke, bekam die Puderdose in die Finger und ließ sie in meiner Handtasche verschwinden.
    Als ich mich verstohlen umsah, bemerkte ich den Barmann. Er stand im Eingang seiner Bude, das Gesicht zu mir gewandt, sonst war niemand auf der Straße. Hatte er gesehen, dass ich etwas aufgehoben hatte? Und wenn schon! Vermutlich hielt er mich nur für eine seltsame Touristin, die seinen viel gepriesenen Vino tinto aus Valdepenas nicht gut vertragen hatte.

Eine Sachertorte aus Moskau
    Mein Schlaf war tief in dieser Nacht. Als ich aufwachte und auf die Uhr schaute, war es schon neun und taghell, trotz der geschlossenen Vorhänge an den Fenstern. Ich machte schnell Toilette, um an den Frühstückstisch zu kommen, denn mein Appetit ist morgens immer beachtlich.
    Während ich an der Bar einen belebenden Kaffee trank, überlegte ich, wie ich diesen Tag gestalten sollte. An den letzten Abend hatte ich nur vage Erinnerungen; ich wusste noch, dass ich eine Bar besucht hatte, um endlich einmal die viel gepriesenen spanischen Tapas zu genießen. Ach ja, zu viel Wein und merkwürdige Erscheinungen waren da auch noch gewesen.
    In der Hotelhalle bahnte ich mir den Weg durch ein Rudel ziemlich munterer älterer Damen, die hier genächtigt hatten und deren Bus draußen mit brummendem Motor auf seinen Inhalt wartete.
    Die Temperatur war noch morgendlich kühl, die Luft frisch. Ich atmete tief durch. Der Abend war mir doch besser bekommen, als es zunächst den Anschein hatte. Weniger Wein, dachte ich, dann hast du auch keine Halluzinationen mehr. Mein Stimmungspegel hob sich – wie immer bei guten Vorsätzen, deren Ausführung sich meist dann doch nicht ergab.
    Ich bummelte ein bisschen durch die engen Straßen der Altstadt von Toledo, die sich langsam mit wabernden Touristenmassen füllte, die von ihren Reiseleitern wie Schafe zur Tränke getrieben wurden. Ich presste mein Täschchen an mich, der Guide hatte vor dreisten Taschendieben gewarnt, die beim Rempeln Zugriffen. Toledo war im Mittelalter die Stadt der Bettler gewesen.
    »Ist Post für mich gekommen?«, fragte ich, ins Hotel zurückgekehrt, den Empfangschef.
    »Moment«, antwortete der und sah in meinem Fach nach. Da lag nur der Zimmerschlüssel. Ich hatte nirgendwo meine Adresse hinterlassen und konnte also überhaupt keine Post bekommen. In übermütiger Laune geht's mir wie vielen anderen auch, ich mache Scherze auf Kosten anderer. Um noch einen draufzusetzen und weil der junge Mann so hübsche braune Augen mit langen Wimpern hatte, bat ich ihn, sofern Post käme, sie mit meinem Namen zu versehen und dann an das Waldorf-Astoria in New York weiterzuleiten. Aber per Luftpost. Er notierte alles langsam und gewissenhaft, klimperte mich amüsiert an.
    Bester Laune schuf ich in meinem Zimmer ein bisschen Ordnung, steckte mein kleines Täschchen, das mich auf meiner Tour eben begleitet hatte, in meine große Handtasche. Meine Finger ergriffen dabei eine goldene Puderdose. Mir gehörte sie nicht. Langsam formte die Erinnerung in meinem Kopf das Bild einer toten jungen Frau. Ich öffnete den Deckel, der ein wenig verklemmt war. Der Spiegel war zerbrochen, und dahinter steckte ein Zettel. Ich zog ihn vorsichtig zwischen den Splittern hervor.
    »Carlotta« – stand da in Druckbuchstaben mit blauer Tinte. Darunter eine Telefonnummer. Die Vorwahlnummer von Bierstadt! Ich fiel fast vom Hocker. Der Rest der
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