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Grappa 02 - Grappas Treibjagd

Grappa 02 - Grappas Treibjagd

Titel: Grappa 02 - Grappas Treibjagd
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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Grube. Murmelte etwas. Die Rosen fielen nach unten. Gebeugt ging er weiter, schien nichts zu sehen, zu hören oder die Hitze zu spüren. Ich wäre ihm gern gefolgt, denn er verließ den Friedhof in Richtung Ausgang. Ich würde herausbekommen, wer er war!
    Dann stand ich vor Frau Gutweil. Sie sah durch mich hindurch. »Ich war ihre beste Freundin«, sagte ich leise zu der alten Frau. Sie nickte. Dann wandte sie sich dem nächsten Trauergast zu.
    Ich scherte aus. Ob ich den jungen Mann noch erreichen würde? Keine Spur von ihm. Während ich den Weg hinauflief, sah ich – hinter Büschen und Grabsteinen verborgen – den Kommissar. Ich ging auf ihn zu.
    »Glauben Sie an das alte Märchen, dass der Täter zur Beerdigung seines Opfers kommt?«, fragte ich ihn.
    »Man kann nie wissen«, antwortete er. »Und Sie, Frau Grappa? Warum gehen Sie schon? Keine Lust am anschließenden Leichenschmaus?«
    »Allein das Wort macht mir Angst«, bekannte ich. »Außerdem habe ich etwas anderes vor. Ich will nämlich den Mörder finden.«
    »Pfuschen Sie uns bloß nicht ins Handwerk«, warnte er, »sonst sind Sie die Nächste, die dran glauben muss. Der Täter ist nicht ganz richtig im Oberstübchen, das kann für Sie wirklich gefährlich werden.«
    »Oh, warum plötzlich so fürsorglich, Herr Hauptkommissar?«
    »Nehmen Sie es nicht persönlich, aber Frauenleichen sehen nicht besonders gut aus. Außerdem habe ich genug Arbeit auf meinem Schreibtisch und – wenn noch was passiert – wird mir der Urlaub gestrichen.«
    »Ich werde mein Bestes tun, Ihnen Ihre Ferien nicht zu verderben, Herr Kriminalist.«

Die Arbeit beginnt
    Ich war wieder allein. Jetzt brauchte ich einen starken Kaffee. Um die Ecke fand ich eine Konditorei. Ich atmete tief durch. Merkte, wie der Schock der letzten Tage langsam aus meinem Kopf wich. Ich fühlte mich frei und leer und war nun bereit, Informationen zu sammeln und sie in Beziehung zueinander zu setzen. Zuerst würde ich klären müssen, ob zwischen Laura und der Zusendung des Lolita-Heftes eine Verbindung bestand. Beide Ereignisse waren in meinem Kopf miteinander verbunden.
    Laura therapierte missbrauchte Mädchen, und ich bekam aus heiterem Himmel ein solches Heft in den Briefkasten gesteckt. Laura arbeitete in Bierstadt, und der »seriöse elegante Herr« mit dem Code-Namen »Onkel Herbert« suchte Kontakte zu kleinen Mädchen im Raum Bierstadt. Das alles konnte kein Zufall sein! Ich musste mich Lauras Arbeit nähern, auch wenn ich das Thema reichlich unappetitlich fand. Agnus Naider, so hieß Lauras Kollege. Bei dem würde ich anfangen.
    Merkwürdig, dass er bei Lauras Fete nicht dabei gewesen war. Oder doch? Ich kannte ja auch nicht alle Gesichter, und unsere Zeitung hatte kein Foto von ihm gebracht.
    Ich zahlte mein Kännchen Kaffee und machte mich auf den Weg nach Hause. Die Rosen gingen mir nicht aus dem Sinn. Laura liebte Rosen, in ihrem Garten wuchsen sie wie Unkraut.
    Ich duschte, wusch mir die Haare und schminkte mich sorgfältig. Dann suchte ich aus dem Telefonbuch die Adresse der »Städtischen Beratungsstelle für Menschen in Not«. Sie lag in der Bierstädter Fußgänger-Zone. Ich würde mein Auto im Parkhaus abstellen müssen.

Laura und die Lolitas
    Die »Städtische Beratungsstelle für Menschen in Not« war kärglich untergebracht und ausgestattet. Von außen sah das Gebäude ganz passabel aus, immerhin logierte hier in den ersten beiden Etagen eine Versicherung. Die Menschen in Not hingegen mussten die Treppen weiter hinauf steigen. Immer weiter, immer höher, bis unters Dach.
    Kurzatmige Hilfesuchende würden ihre Sorgen nicht mehr formulieren können nach den etwa 100 steilen Stufen. Leicht japsend drückte ich die angelehnte Tür auf. Die Einrichtung stammte eindeutig aus der Zeit, als das preußische Beamtentum erfunden worden war. An den Schreibtischen mussten sich etliche Generationen der Bierstädter Stadtverwaltung in den verdienten Ruhestand gelangweilt haben.
    Die Beratungsstelle schien verlassen. Ich blieb unschlüssig stehen.
    »Oh, ich habe Sie gar nicht kommen hören«, sagte eine Stimme zu mir. Ich fuhr herum. Der junge Mann vom Friedhof stand vor mir. Er hatte seinen schwarzen Wollmantel und seinen gequälten Gesichtsausdruck abgelegt und wirkte in Bundfaltenhose und weißem Hemd mit Haifischkragen wie ein Finanzbeamter, der in seiner Freizeit anarchistische Schriften liest. Er sah harmlos und verschlagen zugleich aus. Vielleicht lag es an seiner Brille, die stark an ein
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