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Grappa 02 - Grappas Treibjagd

Grappa 02 - Grappas Treibjagd

Titel: Grappa 02 - Grappas Treibjagd
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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den Kindern selbst. Wir alle sind sensibler geworden für diese Themen. Das Strafmaß ist ebenfalls erhöht worden, früher war nur die Herstellung, nicht aber der Besitz von Kinderpornografie strafbar.«
    Mir langte es für heute. Das Thema war nicht nur abstoßend, sondern zutiefst traurig. Warum taten Männer so was? War es der allerletzte Kick, der noch fehlte, wenn Mann schon alles gehabt und ausprobiert hatte? Waren diese Menschen vielleicht krank? Oder war es nur mal wieder unsere Gesellschaft, die aus allem ein Problem machte?

Kein Lamm auf provenzalische Art
    Agnus Naider war in der Kaffeeküche der Beratungsstelle verschwunden, um die Maschine anzuwerfen. Ich fand ihn inzwischen etwas sympathischer, er schien seinen Job ernst zu nehmen und wusste eine ganze Menge. Warum nur hatte ich so instinktiv ablehnend auf ihn reagiert? Das passierte mir nicht oft. Eigentlich war ich neugierig auf Menschen und begegnete ihnen zunächst einmal unbefangen. Der Stress der letzten Tage hatte mehr Spuren an meinen Nerven hinterlassen, als ich gedacht hatte. Ich räumte die Schund-Magazine zusammen und wollte sie in den Schrank zurücklegen. Da fiel mein Blick auf Lauras papierene Schreibtischunterlage, die vollgekritzelt war. »Onkel Herbert« stand da und dann »Herbert« und »Onkel«. Laura hatte versucht, aus den Buchstaben dieser beiden Worte neue Begriffe zu bilden. Ich las: »Tebrehr«, »Erbtreh«, »Trebreh« und »Lekon«, »Kelon« – doch nichts ergab einen Sinn. Dann neben Onkel Herbert ein Pfeil zum Namen Beate. Wildes Gekritzel, ohne Sinn zwar, aber Laura hatte offenbar versucht, dem dubiosen Onkel Herbert auf die Spur zu kommen, und ihn in Verbindung zu Beate, ihrer kleinen Patientin, gesetzt.
    Na also, ich lag doch nicht ganz falsch mit meinen Vermutungen! Ich riss das Deckblatt mit den Kritzeleien ab, faltete es hastig und steckte es ein.
    Irgendwo musste auch Lauras Akte über Beate sein! Zu jedem Fall existiert eine Akte, das war in solchen Einrichtungen so. Naider würde sie mir nicht geben wollen oder können. Er machte sich noch immer in der Kaffeeküche zu schaffen. Die Zeit müsste reichen!
    Ich suchte den Schreibtisch ab. Da – eine gelbe Mappe. Mitten auf dem Schreibtisch. Wie für mich bereitgelegt! Bingo! Darauf stand: Beate Bartusch. Ich hatte keine Zeit reinzuschauen, denn ich hörte Naider über den Flur kommen. Was sollte ich tun?
    »Der Kaffee kommt«, kündigte er an. »Wollen Sie Milch oder lieber Zucker?«
    »Beides bitte!«, brüllte ich ihm entgegen. Er drehte sich zum Glück um, und ich stopfte die gelbe Mappe mit Müh und Not in meine Tasche. Hastig verstreute ich die anderen Akten wieder über den Schreibtisch. Leider war keine von ihnen gelb. Ein Blinder würde bemerken, dass der Schreibtisch jetzt anders aussah als vor wenigen Augenblicken.
    Mein Herz klopfte vor Aufregung. Naider kam mit dem Tablett und dem Kaffee. Er goss mir einen Topf voll, drückte ordentlich Milch aus der verkrusteten Dose ins Schwarze und tauchte noch zwei Stück Zucker unter. »So richtig?«, fragte er und reichte mir den Becher.
    Ich strahlte ihn an. Ich hasse Kaffee mit Zucker, denn Zucker drückt den Blutzuckerspiegel in die Höhe. Dadurch wird ein großes Hungergefühl ausgelöst. Und gegen Hungergefühle pflege ich nur das Eine zu tun: Ich esse.
    Ich musste bald raus hier. Das Kaffeetrinken kam mir unglaublich lang vor, Smalltalk war angesagt. Ich fragte ihn nach seinem Werdegang. Er hatte das beste Examen seines Jahrgangs abgelegt, hatte irgendwo einen Lehrauftrag, ging gern in Museen, surfte auf irgendeinem Wasser, und seinen außergewöhnlichen Vornamen hatte er einem Onkel zu verdanken, der katholischer Priester war. Ich hörte zu, nickte, sagte »ah« und manchmal »oh« und dachte voller Panik an die geklaute Akte in meiner Tasche.
    »Agnus ist lateinisch und heißt Lamm«, glaubte er mir erklären zu müssen. Weiß ich, Mann, ich habe auch schon mal gebetet! »Laura nannte mich manchmal Lämmchen …«, gestand er und wurde rot.
    »Wie nett«, strahlte ich. »Ich liebe Lämmer auch. Lammrücken auf provenzalische Art – mit viel Thymian und schwarzen Oliven, ein Gedicht, sage ich Ihnen!«
    Er schien entzückt, doch noch etwas Weibliches an mir entdeckt zu haben. »Oh, Sie kochen gern? Vielleicht könnten wir mal gemeinsam … kochen, meine ich?« Dabei schaute er mich an wie ein Schiffbrüchiger, der in der Ferne eine Insel vermutet. Meine aufkeimende Sympathie für ihn erstarb. So siehst
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