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Granger Ann - Varady - 04

Titel: Granger Ann - Varady - 04
Autoren: Dass sie stets Boses muss gebaren
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Adjektiv »dämlich« vor seinen Namen gesetzt hatte.
»Ich kann nichts für meinen Namen!«, entgegnete er in
scharfem Ton. »Ich wurde nach meinem Großvater getauft.
Clarence ist nicht gerade ein netter Name, das können Sie
mir glauben. Ich hab als Kind in der Schule die Hölle
durchgemacht!«
So weit, so gut. Ich konnte ebenfalls nichts für meinen
Namen. Doch wenigstens hatte ich jetzt das Gefühl, dass die
Dinge zwischen uns ein wenig ausgeglichener waren. Er
wollte etwas über meine Familie erfahren, also war er verpflichtet, mir etwas über sich zu erzählen. Und weil er so ein
kleiner Bursche war, hatte er sich wahrscheinlich nicht wehren können, falls sie ihn in der Schule tatsächlich wegen seines Namens gehänselt hatten.
Für einen Moment war sogar meine Antipathie gegen ihn
verflogen. Nicht, dass ich irgendeinen guten Grund gehabt
hätte, ihn nicht zu mögen, außer der Tatsache, dass er mich
belästigte. Doch Antipathie ist eine instinktive Geschichte
und steht in engem Zusammenhang mit Misstrauen. Ich
traute Clarence Duke nicht über den Weg. Doch ich hatte
Mitgefühl für ihn, weil er als Kind von anderen Kindern
schikaniert worden war. Kinder sind geniale und unübertreffliche Peiniger, was andere Kinder betrifft. Sie bilden
richtige Banden, wie streunende Köter, und sie jagen wie
Köter, immer auf der Suche nach den Schwachen, die allein
und isoliert dastehen.
Mein erstes Jahr an der privaten Mädchenschule, auf die
Daddy mich geschickt hatte, war absolut elendig. Ich war
die Außenseiterin, und jedes andere Mädchen meines Jahrgangs wusste es. Sie umzingelten mich von der ersten Klasse
an, wie Raubtiere, immer auf der Lauer. Ich konnte mit
niemandem darüber reden. Ein isoliertes, schikaniertes
Kind hat nie jemanden. Wenn man jung und klein ist, dann
bedeutet die Ablehnung anderer etwas, das man im Stillen
und voller Scham mit sich herumträgt. Ich konnte mit keiner Lehrerin darüber reden – das wäre Petzen und unehrenhaft gewesen. Ich konnte nicht mit Dad oder Großmutter darüber reden. Sie waren so stolz auf sich, dass die Opfer, die sie mir zuliebe erbrachten, die Mühen wert waren.
Sie schufteten dafür, mir einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. Ihnen zu gestehen, wie elend und todunglücklich ich war, hätte sie zutiefst enttäuscht und gestresst.
Schlimmer noch, es hätte sie bis ins Innerste erschüttert und
das Bild zerstört, das sie sich von jener Schule voller netter
junger Ladys gemacht hatten, die sich nicht wie Strolche aus
der Gosse benahmen. Sie wollten so sehr glauben, dass ich
auf dieser Schule glücklich war, und ich brachte es nicht über
mich, sie dieser Illusion zu berauben, insbesondere, weil ich
sehr genau wusste, wie verzweifelt sich Daddy bemühte, mir
die fortgegangene Mutter zu ersetzen. Armer Dad. Er hatte
geglaubt, mein Problem für mich gelöst zu haben. Doch
stattdessen hatte er es verschlimmert. Dad hatte immer gute
Ideen. Ich erinnere mich nicht, dass auch nur eine einzige
davon jemals funktioniert hätte.
»Hart«, sagte ich zu Duke. »Ich meine es ernst. Wie in
›ziemliches Pech‹.«
Er kicherte leise in sich hinein, die Reaktion, die ich am
allerwenigsten erwartet hätte. »Das war es, ja. Bis ich herausfand, wie ich damit umgehen konnte.«
Das war es, was ich hatte hören wollen. Früher oder später entwickelt das Opfer nämlich meist eine Form von Verteidigung, auch wenn es manchmal zu richtigen Tragödien
kommt, wenn ein Kind dazu nicht im Stande ist. In meinem
Fall brachte mein Talent zum Schauspielern die Erlösung,
bis zu einem gewissen Maß jedenfalls. Ich konnte so gut wie
jeden Lehrer und jede Lehrerin imitieren, entweder ihre
Haltung oder ihre Stimmen. Ich entwaffnete meine Peiniger, indem ich sie zum Lachen brachte.
Die betreffenden Mitglieder des Lehrkörpers fanden bald
heraus, was gespielt wurde. Wahrscheinlich waren sie diejenigen, die mich auf die inoffizielle schwarze Liste im Lehrerzimmer setzten. Vielleicht hatten sie ja von Anfang an auf
eine Gelegenheit dazu gewartet. Auch sie wussten, dass ich
anders war. Meine Familie war weder wohlhabend, noch
stammte ich aus einer gehobenen Schicht. Ich hatte einen
ausländischen Namen, keine Mutter, einen Verlierer zum
Vater und eine Großmutter, die unübersehbar schrill und
unüberhörbar laut und dämlich war.
Ich rächte mich durch schlechtes Benehmen am gesamten Lehrkörper. Ich betrachtete sie als Freiwild. Ich stellte
mir vor, dass ich eine Art
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