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Gralszauber

Titel: Gralszauber
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Schritten seinen angestammten Platz an der Tafel an. Während
er sich setzte und die übrigen Ritter den Raum betraten,
winkte er Dulac zu sich heran.
»Bring den Thronsessel«, befahl er halblaut. Er machte
eine Geste zu seiner linken Seite. »Hier hin.«
Dulac war zwar verwirrt – war es nicht Artus’ eigenes,
unumstößliches Gesetz, dass es an der Tafel keinen besonderen Platz gab, sondern nur Gleiche unter Gleichen? –
, wandte sich aber gehorsam um und ging zu dem wuchtigen Stuhl vor dem Kamin.
Seine Kräfte reichten nicht aus um ihn zu bewegen. Er
mühte sich eine kurze Weile damit ab und sah dann in
Evans Richtung, erntete aber nur einen schadenfrohen
Bück.
»Worauf wartest du?«, herrschte Artus den Jungen an.
»Hilf ihm!«
Evan fuhr zusammen, als hätte Artus ihn geschlagen,
und rannte fast zu Dulac. Seine Augen glühten vor Hass.
Mit vereinten Kräften schleppten sie den schweren Stuhl
zur Tafel und platzierten ihn links neben dem König.
Links. Dulac hatte eine ziemlich konkrete Vorstellung,
wer auf diesem Stuhl Platz nehmen sollte – aber warum
links? Der Ehrenplatz neben dem König war eindeutig
rechts.
Doch dieser Platz blieb leer. Während sie den Stuhl links
von Artus auf den Boden stellten, betraten die Tafelritter
nach und nach den Raum – sämtliche Tafelritter, wie Dulac fast erschrocken zur Kenntnis nahm – und setzten sich
auf ihre Stühle, aber der Platz rechts neben Artus blieb
frei.
Lancelots Platz.
Dulac wurde schmerzhaft bewusst, dass es sein Platz
war, den Artus für einen Gast reservierte, der nicht kommen würde. Es gab keinen Ritter Lancelot mehr. Er selbst
hatte ihn getötet, indem er die silberne Rüstung an derselben Stelle im See versenkte, an dem er sie gefunden hatte.
Artus hielt ihm diesen Platz frei. Der Platz eines Toten,
der freigehalten und gedeckt wurde, obwohl jeder wusste,
dass er nie wieder kommen würde.
Nachdem alle Tafelritter Platz genommen hatten, betrat
Gwinneth als Letzte den Raum.
Ihr Anblick war beinahe mehr, als Dulac ertragen konnte.
Sie trug ein dunkelblaues, mit zarten Goldstickereien
verziertes, hochgeschlossenes Kleid und hatte ihr Haar mit
einem goldenen Band nach hinten gefasst. Und sie war
schöner als je zuvor.
Ihr Anblick traf Dulac wie ein glühender Pfeil. Sie sah
ihn nur flüchtig an, aber ihr Blick tat weh.
Gwinneth ging mit gemessenen Schritten zu ihrem Stuhl
und ließ sich darauf nieder. Jeder Zoll an ihr war eine Königin. Und sie wich seinem Blick aus. Nicht zufällig, sondern ganz bewusst. Dulac krümmte sich innerlich vor
Pein.
Artus schenkte Gwinneth ein kurzes, aber sehr warmes
Lächeln, dann wandte er sich zur Tür und klatschte leicht
in die Hände und Dulac … erstarrte. Die Welt brach über
ihm zusammen.
Gwinneth war nicht der letzte Gast.
Wenige Augenblicke, nachdem Artus in die Hände geklatscht hatte, betrat ein weiterer Gast den Thronsaal.
Mordred.
Irgendetwas in Dulac weigerte sich zu glauben, was er
sah.
Mordred, gekleidet in eine nachtschwarze, stachelbewehrte Rüstung und einen blutroten Umhang, der auf
schreckliche Weise dem Artus’ ähnelte – kam herein. Sein
Gesicht war wie eine Maske aus Stein, aber in seinem
Blick war etwas, das …
Dulac war nicht in der Lage, die Bewegung zu unterdrücken. Seine rechte Hand zuckte dorthin, wo sein
Schwert gewesen wäre, wäre er in diesem Moment noch
der Silberne Ritter. Aber dort war kein Schwert.
Er war nicht Lancelot. Er war nur Dulac, der Küchenjunge. Seine Hand bewegte sich – langsam und zitternd,
wie gegen einen unsichtbaren Widerstand ankämpfend –
zurück. Und von den annähernd sechzig Personen im
Raum war Mordred der Einzige, der seine Bewegung bemerkte, und in seinen Augen blitzte es triumphierend auf.
Ich weiß, wer du bist, sagte dieser Blick. Du glaubst, du
könntest mich aufhalten. Aber du kannst es nicht. Niemand
kann das. Ich werde gewinnen. Ich habe bereits gewonnen. Keine Macht der Welt kann mich noch aufhalten!
Vielleicht keine Macht dieser Welt, antwortete Dulacs
Blick und Mordred las diese Antwort umgekehrt ebenso
deutlich in seinen Augen, wie Dulac seine Botschaft empfangen hatte.
»Sir Mordred.« Artus erhob sich halb aus seinem Stuhl
und ließ sich wieder zurücksinken, ohne die Bewegung
mehr als zur Hälfte zu Ende geführt zu haben. Gwinneth
deutete ein Kopfnicken an; eine Geste, die an Knappheit
nur einen Deut von einer Beleidigung entfernt war.
»Sir Mordred«, fuhr Artus fort. »Camelot fühlt
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