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Gralszauber

Titel: Gralszauber
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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»Wirklich nicht.« Das war eine Lüge. Er wusste selbst
nicht, warum, aber ihre Worte hatten ihn verletzt.
Gwinneth machte eine Bewegung, wie um die Hand zu
heben und seine Wange zu berühren, ließ den Arm aber
dann wieder sinken. Sie wirkte ein bisschen traurig. Dulac
nahm all seinen Willen zusammen, um ihr ins Gesicht zu
blicken und ihrem Blick standzuhalten, aber es war gar
nicht sie, die er in diesem Moment sah. Er sah Artus und
Morgaine und er glaubte noch einmal das Gespräch zwischen den beiden zu hören, das er am frühen Morgen belauscht hatte. Sein Herz zog sich zu etwas zusammen, das
wie ein kalter Stein in seiner Brust ruhte. Er war nicht sicher, ob es wirklich noch schlug.
»Was ist los mit dir?«, fragte Gwinneth geradeheraus.
»Nichts«, antwortete Dulac. »Wirklich, ich –«
»Lüg mich nicht an«, unterbrach ihn Gwinneth. Vielleicht eine halbe Sekunde zu spät fügte sie hinzu: »Bitte.«
»Ich lüge nicht«, versicherte Dulac. »Es ist nur …«
»Ja?«
»Artus«, sagte Dulac. »Du solltest ihn nicht heiraten.«
Jetzt war es heraus. Dulac krümmte sich innerlich vor
Entsetzen, denn ihm war klar, dass er mit diesem halben
Dutzend Worten vielleicht alles zerstört hatte. Zugleich
jedoch fühlte er sich unendlich erleichtert.
Zu seiner Überraschung reagierte Gwinneth jedoch nicht
zornig oder auch nur überrascht, was das Mindeste gewesen wäre angesichts dieser Ungeheuerlichkeit. Lange –
Minuten, die sich zu einer Ewigkeit dehnten – sah sie ihn
schweigend an und ihre Augen füllten sich mit einem
Ausdruck von solchem Schmerz, dass sich Dulacs Herz
noch weiter zusammenzog.
»Aber ich muss es, Dulac«, murmelte sie schließlich. In
ihren Augen schimmerten Tränen.
»Wieso?«, begehrte Dulac auf. »Er kann dich nicht
zwingen!«
Für einen Augenblick sah Gwinneth ihn nur verwirrt an.
»Du … du glaubst, dass er mich –?« Sie schüttelte den
Kopf und sah für einen Moment einfach nur hilflos drein.
Dann seufzte sie tief, ging rückwärts wieder eine Stufe
hinauf, ließ sich auf den ausgetretenen Stein sinken und
machte dann eine einladende Handbewegung neben sich.
Dulac zögerte der Aufforderung zu folgen. Die Selbstverständlichkeit ihrer Geste deutete eine Vertrautheit an,
die er nicht mehr wollte. Es war ein Fehler gewesen, das
Angebot der Freundschaft anzunehmen, das sie ihm gemacht hatte. Es war so ehrlich gemeint gewesen, wie es
nur ging – aber er würde es nicht ertragen, einfach nur ihr
Freund zu sein. Warum quälte sie ihn so? War denn da gar
nichts in ihr, das über bloße Sympathie hinausging?
Nach ein paar Sekunden gehorchte er doch und setzte
sich neben sie auf die Stufe; allerdings ein gutes Stück
weiter weg, als sie erwartet zu haben schien. Gwinneth
nahm es mit einem bekümmerten Ausdruck zur Kenntnis,
ging jedoch nicht weiter darauf ein.
»Es ist leider nicht so einfach, wie du glaubst, Dulac«,
begann sie in leisem, traurigem Ton. »Artus hat mich nicht
gezwungen, ihn zu heiraten. Er hat mich nicht einmal bedrängt. Ich könnte nein sagen, wenn ich das wollte.«
»Dann tu es!«, sagte Dulac impulsiv. Da war immer
noch eine leise Stimme in ihm, die ihm zuflüsterte, dass er
dabei war, sich um Kopf und Kragen zu reden, aber er
ignorierte sie. Er hatte einmal angefangen und er würde
jetzt weiterreden und ihr sagen, was er zu sagen hatte.
Schon weil ihm klar war, dass er vermutlich nicht noch
einmal den Mut haben würde, so offen mit ihr zu reden.
»Du liebst ihn doch gar nicht!«
»Lieben?« Gwinneth lächelte traurig. »Wer weiß?«
»Ich!«, behauptete Dulac. »Man sieht es dir an.«
»Liebe ist ein großes Wort, Dulac.«
»Es ist das Wichtigste, was es im Leben gibt!«
Gwinneth nickte. »Ja, das ist es. Für dich, Dulac. Für alle deine Freunde, für die Menschen in der Stadt und überall im Land … Und doch gibt es Wichtigeres. Camelot
muss weiterleben.«
Das hatte sie schon einmal gesagt und er verstand es
jetzt so wenig wie damals. Er fragte: »Indem du einen
Mann heiratest, den du nicht liebst?«
»Ich wäre nicht die Erste, die so etwas tut«, antwortete
Gwinneth. Sie sah sehr traurig drein. Er schien sie mit
seinen Worten verletzt zu haben, aber er wusste nicht, wie.
»Aber es ist nicht so einfach, wie du glaubst. Camelot ist
… nicht irgendeine Stadt, Dulac, so wie Artus nicht irgendein König ist. Camelot ist der Garant für Frieden in
diesem Land. Wenn Camelot fällt, dann würden die Zeiten
der finsteren Barbarei
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