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Gralszauber

Titel: Gralszauber
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ich habe die
Wachen am Tor bestochen«, sagte Gwinneth. »Niemand
wird uns aufhalten. Die Männer sind es gewohnt, dass ich
manchmal allein wegreite, auch zu ungewöhnlichen Zeiten.«
Sie reichte ihm einen schwarzen Mantel und half ihm
ihn überzustreifen, dann wandte sie sich rasch um, ging
zur Tür und sah aufmerksam hinaus.
»Es ist keiner da«, flüsterte sie. »Komm.«
Dulac war sicher, dass er es nicht schaffen würde. Seine
Kraft würde nicht einmal ausreichen den Raum zu durchqueren, davon, die Treppe hinunterzugehen oder gar auf
ein Pferd zu steigen, ganz zu schweigen. Die Wunde in
seinem Rücken hatte wieder zu bluten begonnen. Er konnte spüren, wie das Leben aus ihm herauslief. Mordred hatte ihn getötet.
Er machte einen einzelnen, qualvollen Schritt, einen
weiteren und noch einen und irgendwie gelang es ihm, die
Tür zu erreichen und sich auf den Gang hinauszuschleppen.
Dulac vermochte hinterher nicht mehr zu sagen, wie er
es geschafft hatte, den Gang zu überwinden und die Treppe hinter sich zu bringen. Das Haus wirkte wie ausgestorben.
Er konnte die Stimmen Artus’ und der anderen im
Thronsaal hören und auch aus anderen Teilen des Gebäudes drangen Geräusche und Stimmen. Aber sie begegneten
keinem Menschen, sondern erreichten unbehelligt den Hof
und die beiden wartenden Pferde.
Gwinneth hob ihn mehr in den Sattel, als er aus eigener
Kraft hinaufstieg, und er schien für einige Augenblicke
erneut das Bewusstsein verloren zu haben, denn der nächste halbwegs klare Eindruck, den er hatte, war die Dunkelheit des Torgewölbes, durch das sie ritten. Von den
beiden Wachen, die normalerweise hier standen, war
nichts zu sehen und selbst Gwinneth schien zu einem flakkernden Schatten irgendwo neben ihm geworden zu sein.
Der Weg zum See hinaus glich einem Albtraum. Fieber,
Schüttelfrost und Schmerzen wechselten einander ab und
die meiste Zeit wusste Dulac nicht einmal, wo er war, und
er war sich auch Gwinneths Anwesenheit kaum bewusst.
Er erwachte aus dem tranceähnlichen Zustand, als sein
Pferd langsamer wurde und schließlich anhielt. Er saß weit
nach vorne gebeugt im Sattel und registrierte mit dumpfer
Überraschung, dass sie ihr Ziel erreicht hatten: Vor ihnen
beschrieb der Weg einen sanften Knick, hinter dem er den
See wusste, an dem alles begonnen hatte.
»Wir sind da«, sagte Gwinneth neben ihm und wies auf
die Wegbiegung. »Weiter werde ich dich nicht begleiten.
Lebe wohl, Dulac. Vertrau auf die Macht derer, die uns
hierher geschickt haben.«
Bei den letzten Worten liefen Tränen über ihr Gesicht
und dann zwang sie mit einem plötzlichen Ruck ihr Pferd
herum und sprengte so schnell davon, dass es war, als hätte die Nacht sie einfach verschlungen.
Dulac starrte die Dunkelheit hinter sich lange voller
Trauer an. Wie gerne hätte er noch ein letztes Wort des
Abschieds mit ihr gewechselt, sie noch einmal in die Arme
geschlossen. Aber er wusste, dass Gwinneth das nicht ertragen hätte. Sie wollte nicht dabei sein, wenn er das allerletzte Stück seines Weges antrat. Sie hatte ein fürchterliches Risiko auf sich genommen, um ihm diesen letzten
Dienst zu erweisen, aber ihre Kraft reichte nicht aus, ihm
beim Sterben zuzusehen.
Müde ließ sich Dulac aus dem Sattel gleiten. Seine Füße
hatten kaum den Boden berührt, da tänzelte das Pferd hastig zur Seite, drehte sich herum und galoppierte mit einem erleichterten Schnauben davon. Das Tier war die
ganze Zeit über nervös und störrisch gewesen, aber Dulac
wurde erst jetzt klar, dass es nicht die Angst vor der Dunkelheit oder einer unbekannten Gefahr gewesen war. Es
hatte Angst vor ihm gehabt. Vielleicht spürte es ja, dass es
im Grunde schon einen toten Reiter trug.
Unendlich langsam schleppte sich Dulac den Weg entlang.
Es waren nur wenige Schritte, die er bis zur Biegung
und dem dahinter liegenden See zurücklegen musste, und
doch kam es ihm vor, als würde er für diese kurze Strecke
länger als für den gesamten Weg aus der Stadt hinaus benötigen.
Und als er die Wegbiegung endlich erreichte und der
See vor ihm lag, sah er, dass er erwartet wurde.
Im seichten Wasser unweit des Ufers stand das Einhorn.
Sein Fell schimmerte wie frisch gefallener Schnee im
Mondlicht und seine großen, auf so beunruhigende Weise
wissenden Augen sahen Dulac ruhig entgegen. Es regte
sich nicht, sondern stand da wie eine bizarre Statue. Selbst
das Wasser des Sees, in dem es stand, schien zur Reglosigkeit erstarrt.
Dulac machte noch
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