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Gralszauber

Titel: Gralszauber
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Menge dieser gefährlichen Räuber erlegt!
    Das Tier musste fast so viel wiegen wie ein Mensch und
seine Kiefer sahen aus, als könnten sie Dulacs Arm ohne
besondere Mühe einfach abbeißen, trotz der schweren eisernen Rüstung, in der er steckte. Und er hatte gesehen,
wie unglaublich schnell sich dieses Monster zu bewegen
imstande war. Dulac machte sich nichts vor: Dass er den
ersten Angriff des Wolfes überlebt hatte, war pures Glück
gewesen. Außerdem hatte das Tier ihn unterschätzt. Vermutlich hatte es ihn für einen der wehrlosen Bauern gehalten, von denen es in den letzten Monaten gut ein Dutzend
gefressen hatte.
    Noch einmal würde es diesen Fehler nicht begehen.
Während Dulac und der Wolf sich langsam zu umkreisen begannen, wurde ihm mit schrecklicher Gewissheit
    klar, dass dieser Wolf alles war, nur eines nicht: ein normaler Wolf. Wenn er zurück auf Camelot und an König
Artus’ Tafel war, würde er eine interessante Geschichte zu
erzählen haben.
    Wenn er zurückkam.
Ganz sicher war Dulac nicht. Als Ritter der Tafel war
Dulac daran gewöhnt, gegen gefährliche und manchmal
sogar überlegene Gegner zu kämpfen – aber dieses Tier
war verhext. Vielleicht war es sogar ein Dämon, der nur in
die Gestalt eines Wolfes geschlüpft war, um unter den
Menschen zu wüten. Wenn das Ungeheuer angriff, dann
würde es schnell geschehen und mit aller Kraft. Der
Kampf würde mit dem ersten Zusammenprall entschieden
sein.
Als hätte er seine Gedanken gelesen, ließ der Wolf ein
leises, dunkles Grollen hören und begann sich langsam auf
ihn zu zu bewegen. Seine Lefzen zogen sich zurück und
entblößten sein Gebiss, bei dessen Anblick Dulac wieder
ein Schauer der Furcht über den Rücken lief. Das böse
Funkeln in den Augen des Tieres wurde stärker.
»Nun komm schon, du Ungeheuer!«, sagte Dulac. »Ich
habe keine Angst vor dir. Du magst vom Teufel besessen
sein, aber ich gehöre zu den Rittern der Tafel. Wir fürchten uns nicht vor Dämonen!«
Das schien den Wolf nicht besonders zu beeindrucken.
Er knurrte nur noch tiefer und kam mit kleinen, vorsichtigen Schritten näher; vermutlich, um die richtige Entfernung zu gewinnen, von der aus er ihn mit einem einzigen
Sprung erreichen konnte. Dulac drehte das Schwert ein
wenig in der Hand und spannte die Muskeln, um zum Zuschlagen bereit zu sein. Der Wolf würde im nächsten Augenblick angreifen. Er würde –
»Dulac!«
Die Stimme schnitt scharf wie ein Peitschenhieb in Dulacs Gedanken, noch weit entfernt, aber schrill und hörbar
wütend.
»Dulac, du nichtsnutziger, fauler Tagedieb! Wo treibst
du dich wieder herum? Spielst mit dem Hund und stiehlst
Gott den Tag?«
Dulac blinzelte. Das dunkle Grün des ihn umgebenden
Waldes verschwand und machte der schäbigen Bretterwand einer Scheune Platz, durch deren Ritzen der Wind
pfiff und deren Boden mit halb verfaultem Stroh bedeckt
war. Aus dem Schwert in seiner Hand wurde ein abgebrochener Ast und auch der Wolf schrumpfte auf einen
Bruchteil seiner ursprünglichen Größe zusammen und sah
mit einem Male eher aus wie ein struppiger kleiner Terrier, der Dulac gerade einmal bis zum Knie reichte und
schwanzwedelnd zu ihm hochsah.
»So! Habe ich es doch gewusst!« Die Scheunentür flog
auf und Tander stapfte herein, baute sich vor ihm auf und
stemmte kampflustig die Fäuste in die Fettmassen, die dort
hingen, wo eigentlich seine Hüften sein sollten. Dulac ließ
hastig seinen Stock sinken, drehte sich zu dem glatzköpfigen Schankwirt herum und versuchte den Ast hinter seinem Rücken zu verbergen, aber es war zu spät. Tander
hatte ihn längst gesehen und sein Gesicht verfinsterte sich
noch weiter.
»Weißt du, wie spät es ist, du Nichtsnutz?«, schimpfte
er.
»Die Sonne ist längst aufgegangen! Du solltest schon
lange in der Burg sein! Soll der König mit seinem Morgenmahl etwa warten, bis es dir genehm ist?«
Es war keine Frage, auf die er eine Antwort haben wollte, sondern vielmehr die Vorbereitung auf eine der Maulschellen, die er ebenso freigiebig und gern verteilte, wie er
mit Essen oder gar Lohn geizte. Dulac war jedoch darauf
vorbereitet, sodass es ihm nicht besonders schwer fiel, den
Kopf einzuziehen und auf diese Weise der Backpfeife zu
entgehen, die Tander ihm zugedacht hatte. Da er wusste,
wie heimtückisch der Schankwirt war, machte er hastig
einen Schritt zurück. Und wäre Wolf nicht in genau diesem Moment hinter ihm gewesen, dann hätte es vermutlich sogar geklappt.
So
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