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Gralszauber

Titel: Gralszauber
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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aber stolperte Dulac rückwärts über den kleinen
Hund, ruderte einen Moment hilflos mit den Armen und
schlug schließlich der Länge nach hin. Das nasse Stroh
nahm dem Sturz zwar die ärgste Wucht, aber er knallte
trotzdem hart genug mit dem Hinterkopf auf den Boden,
dass er für den Moment nur noch Sterne sah.
»Da hört sich doch alles auf!«, ereiferte sich Tander.
»Ich sage dem Burschen, dass er sich zur Arbeit scheren
soll, und was tut er? Er albert weiter herum! Warte, Kerl,
dir werde ich schon noch Manieren beibringen!«
Dulac wusste ungefähr, was kam, und rollte sich hastig
zur Seite. Trotzdem gelang es Tander, ihm zweimal kräftig
gegen den Oberschenkel zu treten, bevor Dulac sich aufrappelte und rasch ein paar Meter davonkroch.
»Jetzt scher dich gefälligst auf die Burg, bevor du noch
Schande über mich und meine ganze Familie bringst!«,
schrie Tander. »Ist das etwa der Dank dafür, dass ich dich
aufgenommen und wie mein eigen Fleisch und Blut behandelt habe? Was habe ich nur getan, dass Gott mich so
bestraft?«
Die Antwort auf diese Frage hätte Dulac ihm geben
können – aber sie hätte nicht nur den halben Vormittag in
Anspruch genommen, sondern ihm auch eine weitere
Tracht Prügel eingebracht. Also rappelte er sich lieber
hoch, warf Wolf noch einen zornigen Blick zu und rannte
in großem Bogen um Tander herum und aus der Scheune.
Der Terrier folgte ihm kläffend und schwanzwedelnd und
hinter sich hörte er den Schankwirt weiter schimpfen und
lauthals mit dem Schicksal hadern, obwohl längst niemand
mehr da war, der ihm zuhörte.
Dulac blinzelte, als er ins Freie kam und das grelle Licht
der Morgensonne in seine Augen stach. In einem Punkt
hatte Tander vollkommen Recht gehabt: Die Sonne stand
schon hoch am Himmel. Er würde zu spät kommen.
Er rannte jetzt nicht mehr, sondern verfiel in einen raschen, aber kräftesparenden Trab. Er hatte noch ein gutes
Stück vor sich. Burg Camelot lag am anderen Ende der
gleichnamigen Stadt, die zwar nicht allzu viele Bewohner
hatte – jedenfalls im Vergleich zu den fremden Städten,
von denen Artus und seine Ritter manchmal erzählten –,
sich aber über eine große Fläche erstreckte, sodass man in
gemächlichem Tempo eine gute halbe Stunde brauchte,
um sie zu durchqueren.
Dulac schaffte es in weniger als fünf Minuten.
Schon von weitem konnte er sehen, dass das große,
zweiflügelige Tor weit offen stand und auf dem Hof ein
reges Kommen und Gehen herrschte.
Das war ungewöhnlich. König Artus und seine Ritter
waren alles andere als Frühaufsteher. Normalerweise waren Dulac, Dagda und zwei oder drei weitere Bedienstete
die Einzigen, deren Stimmen und Schritte man morgens in
der Burg hörte. Jetzt aber sah er mindestens ein Dutzend
Männer und Frauen, die in großer Hast über den Hof eilten, und nachdem er noch etwas näher gekommen war,
entdeckte er ein fremdes, prachtvoll aufgezäumtes Pferd.
Besuch.
Und auch das war ungewöhnlich. Fremde kamen oft
nach Camelot, aber sie kamen sehr selten unangemeldet,
schon gar nicht, wenn es sich um Ritter oder Edelleute
handelte.
So prachtvoll, wie das Pferd aufgezäumt war, konnte es
nur einem König gehören. Dagda würde schäumen vor
Wut.
Dulac rannte mit weit ausgreifenden Schritten durch das
Tor und flitzte die Treppe hinunter, die zum Küchengewölbe und den angrenzenden Räumen führte. Hier unten
war es noch dunkel. Die Nacht hatte etwas von ihrer Kühle zurückgelassen und wie immer, wenn er hier herunterkam, verspürte er auch jetzt wieder ein kurzes Frösteln.
Offiziell dienten diese finsteren Kellergewölbe als Vorratslager, Speisekammer, Küche und auch als Dagdas
Schlafraum, aber manchmal glaubte Dulac auch noch etwas anderes zu spüren; etwas, das uralt war und in den
Schatten und im Stein der Wände lebte.
Dulac legte einen letzten Endspurt ein, rannte gebückt
durch den niedrigen Eingang in die Küche und sah seine
schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Über dem Feuer
brodelte bereits Suppe in einem großen Kessel. Dichter
Qualm hatte sich unter der Decke gesammelt und reizte
zum Husten und Dagda selbst stand neben dem Kessel und
hielt einen riesigen Schöpflöffel in der linken Hand, mit
dem er hin und wieder in der Suppe rührte. Mit der anderen warf er immer wieder Zutaten in die kochende Suppe.
Er war ein alter, ziemlich magerer Mann, dessen Schultern
sich unter der Last der Jahre weit nach vorne gebeugt hatten. Sein weißes Haar hing lang
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