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Gralszauber

Titel: Gralszauber
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Stimmen er schon draußen auf dem Flur gehört hatte, saßen bloß drei weitere Männer an der gewaltigen Tafel, die
leicht Platz für sechzig Besucher bot; zwei weitere Ritter
der Tafel und ein hoch gewachsener, dunkelhaariger
Fremder, der eine prachtvolle Rüstung und einen dunkelroten Umhang trug. Er hatte ein breites, hart wirkendes
Gesicht und kalte Augen, mit denen er Dulac kurz musterte, als dieser hereinkam. Dann wandte er sich wieder Artus
zu.
»Wie ich Euch bereits sagte, mein Freund«, sagte Artus,
während er Dulac mit einer herrischen Geste herbeiwinkte,
»es ist leider vollkommen ausgeschlossen. Das Gesetz
verbietet es mir.«
Das Gesicht des Fremden verfinsterte sich noch weiter.
»Gesetz?«
»Das Gesetz der Tafel, edler Mordred«, sagte Gawain an
Artus’ Stelle. »Ihr mögt noch nichts davon gehört haben,
aber es hat überall in unserem Lande Gültigkeit.«
Mordred wollte widersprechen, doch Dulac hatte mittlerweile den Tisch erreicht und Artus kam ihm zuvor.
»Trinkt einen Schluck Wein, mein Freund«, sagte er.
»Camelots Wein ist weithin berühmt und mit einer befeuchteten Zunge redet es sich leichter.«
Mordreds Gesicht verfinsterte sich noch mehr und Dulac
senkte rasch den Blick und begann die mitgebrachten Becher mit Wein zu füllen. Artus griff als Erster nach einem
davon, seine Hände zitterten leicht. Dulac hatte ihm und
den anderen bis lange nach Mitternacht Wein serviert, bis
Dagda ihn endlich nach Hause geschickt hatte. Unter Artus’ Augen lagen dunkle, schwere Tränensäcke und seine
Haut hatte einen ungesunden, teigigen Glanz. Auch Gawain und die anderen sahen nicht viel besser aus.
»Gesetz! Dass ich nicht lache!«, ereiferte sich Mordred.
Er verscheuchte Dulac mit einer unwilligen Handbewegung, als dieser auch ihm einen Becher Wein hinhalten
wollte.
»Ein Gesetz, das Ihr selbst erlassen habt!«
»Und trotzdem hat es auch für mich Gültigkeit«, belehrte ihn Artus. Er trank einen Schluck Wein. »Es tut mir
Leid, edler Mordred, aber Ihr werdet mit Euren Begleitern
die Grenzen Camelots nicht überschreiten können.«
»Oh, wir können schon, König Artus«, antwortete Mordred in einem Ton, der das Wort König zu einer glatten
Beleidigung werden ließ.
»Aber ich kann es nicht gestatten«, sagte Artus ruhig.
Dulac war nicht ganz sicher, ob er Mordreds beleidigenden Ton ignorierte oder ob er einfach noch nicht wach
genug war, um ihn überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.
Mit Ausnahme Mordreds hatte er mittlerweile allen Anwesenden eingeschenkt und somit hatte er eigentlich hier
nichts mehr zu tun. Aber er verließ den Raum nicht, sondern ging nur ein paar Schritte rückwärts und blieb mit
gesenktem Blick und gespitzten Ohren stehen.
»Warum verweigert Ihr uns das Wegerecht, Artus?«,
wollte Mordred wissen. »Wir haben keinen Streit mit
Euch. Wir verlangen weder Nahrung noch Obdach. Die
Grenzen Eures Reiches zu umgehen würde uns drei Wochen kosten!
Zeit, die unsere Feinde nutzen würden, um uns einen
Hinterhalt zu legen. Wenn Ihr uns den Weg verweigert,
dann verurteilt Ihr Hunderte unserer Krieger zum Tode!«
»Es ist Euer Krieg, nicht der unsere, Mordred«, antwortete Gawain an Artus’ Stelle. »Ließen wir Euch passieren,
so hättet Ihr Cunninghams Heer gegenüber einen Vorteil,
der zahlreichen seiner Männer das Leben kostete.«
»Ihr –«
»Unser Gesetz verbietet uns, uns in das Schicksal unserer Nachbarn einzumischen, Mordred«, fiel ihm Artus ins
Wort. »Es sei denn, sie bitten uns um Hilfe.«
»Euer Gesetz, dass ich nicht lache!«, sagte Mordred
feindselig. »Ein Gesetz, dass Ihr selbst erdacht habt! Ihr
seid der König dieses Landes! Ihr könnt dieses Gesetz
nach Belieben ändern.«
»Eben das kann ich nicht«, sagte Artus und trank einen
weiteren Schluck Wein. »Seht Euch um, Freund. Seht Ihr
diesen Tisch?«
Mordred wirkte leicht irritiert, ließ seinen Blick aber
über den großen Tisch schweifen, der an jeder Seite Platz
für fünfzehn Stühle bot. Er hob die Schultern. »Und?«
»Ich nehme an, Ihr habt von König Artus’ Tafel gehört«,
fuhr Artus fort. »Nun, dies ist sie. Es gibt in diesem Raum
keinen Thron, obwohl es ein Thronsaal ist. An diesem
Tisch sind alle Stühle gleich. Weil wir alle gleich sind.
Wenn ich hier sitze, bin ich nicht König, sondern Gleicher
unter Gleichen. Würde ich ein Gesetz brechen, nur weil
ich König bin, wie könnte ich dann auch nur vom geringsten meiner Untertanen verlangen, dass er sich daran
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