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Graciana - Das Rätsel der Perle

Graciana - Das Rätsel der Perle

Titel: Graciana - Das Rätsel der Perle
Autoren: Marie Cordonnier
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Schürfwunden und Prellungen dafür, dass sie trotz ihrer Erschöpfung nicht in Ohnmacht sank. Ihr armer Kopf hatte es längst aufgegeben, einen Sinn hinter den Ereignissen dieses Tages zu suchen.
    »Seid Ihr verrückt? Was soll ich mit einem Frauenzimmer hier tun?«
    Der hoch aufgeschossene Page blieb wie eine Schildwache vor dem Eingang des Zeltes stehen, aber der Sergeant ließ sich auf keine Wortgefechte ein.
    »Dein Herr hat mir befohlen, diese Person zu dir zu bringen. Gib ihr einen Strohsack, zu essen und zu trinken und lass sie in Ruhe, damit befolgst du seine Anweisungen! Gute Nacht!«
    Graciana strauchelte und fand sich einmal mehr grob nach vorne geschoben. Immerhin landete sie dieses Mal mit ihren Handflächen nicht auf Erde und Steinen, sondern auf einem weichen Teppich, der ihren Sturz dämpfte.
    »Wo in Dreiteufelsnamen hat er dich nur aufgetrieben?«, fragte eine helle Stimme.
    Sie blinzelte im Licht einer Stundenkerze in das mürrische Gesicht eines Jugendlichen, der ein schlichtes königsblaues Samtwams trug. Er hatte die Stirn in finstere Falten gelegt. Zwei schiefstehende Vorderzähne verliehen ihm das Aussehen eines aufmerksamen Feldhasen.
    »Hast du Hunger? Durst?«
    Graciana schüttelte stumm den Kopf. Es kam ihr vor, als könne sie nie wieder essen oder trinken. Nie wieder normal fühlen.
    »Ist auch besser«, verkündete der Page ein wenig besänftigt. »Ich wüsste ohnehin nicht, wo ich um diese Zeit etwas für dich auftreiben sollte. Da, dort in dem Bündel sind Decken, wenn du schlafen willst!«
    Graciana konnte keine Bewegung machen, geschweige denn ein fremdes Bündel öffnen. Sie zitterte vor Kälte, und ihre Zähne klapperten unkontrolliert aufeinander.
    »Zum Kuckuck«, meinte der Junge, zwischen Erstaunen und Hochmut hin- und hergerissen. »Was denkst du eigentlich – dass ich dich bediene?«
    Als er auch dieses Mal keine Antwort bekam, seufzte er und riss das Bündel doch auf. Er nahm zwei Decken heraus und begann ein Lager an der Stirnwand des Raumes zu richten.
    »Der Strohsack ist für dich, wenn ich den Befehl des Seigneurs richtig verstanden habe! Komm schon, leg dich nieder, du siehst aus, als könne dich ohnehin der nächste Windstoß umwehen ...«
    Als ob er ein störrisches Pferd vor sich hätte, schubste er Graciana in Richtung eines Lagers aus mehreren Fellen mit Decken und Kissen – ein Luxus, wie Graciana ihn noch nie erlebt hatte. Sie war eine schmale, hölzerne Bettstelle mit einer Matratze gewöhnt, deren Stroh zweimal im Jahr gewechselt wurde. Diese Schlafgelegenheit bot einen Komfort, der ihr ebenso unwirklich vorkam wie alles andere.
    Graciana sank auf die Knie und schloss die Augen, noch ehe ihre Wange auf der glatten, seidigen Unterlage des Kissens zur Ruhe kam. Es fühlte sich unerwartet sanft und angenehm an. Es passte nicht zu den Ereignissen der vergangenen Stunden.
    Aber vielleicht träumte sie ja und würde am Morgen auf ihrer Pritsche im Schlafsaal von Sainte Anne erwachen. Oder sie war inzwischen gestorben, und dies war die kleine, bescheidene Ecke des Paradieses, die der Himmel ihr zugedacht hatte.

3. Kapitel
    Die morgendlichen Nebel hingen düster über dem Feldlager des siegreichen Herzogs. Es roch nach ausgebrannten Lagerfeuern, schalem Wein und Männern, die gekämpft und gezecht hatten. Kérven des Iles hätte nichts gegen einen jener Stürme einzuwenden gehabt, unter denen sich seine Heimat den größten Teil des Jahres duckte, aber ausgerechnet an diesem Morgen herrschte absolute Windstille zwischen den Zelten und Unterständen.
    Übernächtigt, erschöpft und gleichzeitig hellwach, schritt er durch die Zeltreihen und registrierte gereizt, dass er nirgendwo das kleinste Zeichen von Aufbruch zu entdecken vermochte. Mit einem heftigen Ruck schlug er den Eingang seines Zeltes zurück und stolperte prompt über seinen zusammengerollten Pagen, der mit einem leisen Aufschrei und halb geschlossenen Augen hochfuhr.
    »Verdammt! Wieso ist noch nicht gepackt, Ludo?«, schnauzte er die schlaftrunkene Gestalt an, die sich vor ihm in die Senkrechte rappelte.
    »Ich ... aber ... woher ... wieso? Habe ich das Hornsignal überhört?«
    So unfreundlich aus dem Schlummer gerissen, fiel es sogar dem gewitzten Ludo de Mar schwer, sich in der Wirklichkeit zurechtzufinden.
    »Es gab noch kein Hornsignal«, beruhigte ihn Kérven des Iles und ließ die Morgendämmerung ins Zelt. »So wie es aussieht, hast du meine Botschaft gestern Abend nicht mehr erhalten?«
    »O
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