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Graciana - Das Rätsel der Perle

Graciana - Das Rätsel der Perle

Titel: Graciana - Das Rätsel der Perle
Autoren: Marie Cordonnier
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Wolf zu nennen, beleidigt die Wölfe«, widersprach der junge Ritter und rieb sich mechanisch eine blutige Schmarre, die quer über seine Wange führte. »Der selbst ernannte Herzog von St. Cado ist im günstigsten Falle eine Ratte! Etwas so Übles und Gemeines, dass es keine passende Bezeichnung für ihn gibt.«
    »Ratten sind besonders gefährlich, mein Freund! Ihr wisst, dass sich Montfort keinen neuen Konflikt leisten kann.«
    »Wem sagt Ihr das«, knurrte der Seigneur des Iles und wandte sich zum Gehen. »Ich habe den Auftrag, diese Ratte auf schnellstem Wege zum Herzog zu bringen. Es fragt sich nur, wo ich ihn in diesem Chaos finden soll!«
    »Versucht es an der Mühle beim Fluss, ein Teil seiner Männer feiert den Sieg dort mit einem wüsten Gelage. Einer ihrer Anführer wird wissen, wo der Alte steckt!«
    »Habt Dank!«
    Kérven des Iles eilte weiter durch das Lager Montforts, das seine Ordnung behalten hatte. Die Zelte und Unterstände reihten sich in schmalen Gassen aneinander, und die erschöpften Männer an den Feuern schienen gleich ihrem Herrn keine besondere Lust zu verspüren, den tapfer erkämpften Sieg über die eigenen Landsleute besonders zu feiern. Die Plünderer, die Auray heimsuchten, gehörten zu den Söldnern, die nur ihre eigenen Gesetze respektierten. Wüste Haufen, die ausschließlich einem Herrn gehorchten – Paskal Cocherel!
    Wie erbärmlich weit war es doch mit seiner Heimat gekommen, dass sie mit Hilfe eines solchen Mannes geeint werden musste. Der junge Ritter verzog bitter den Mund und winkte dem Sergeanten und der Eskorte zu, die ihn auf Befehl des Herzogs begleiteten. Es war nicht ratsam, sich ohne diesen Schutz in die Reichweite des Söldnerführers zu begeben. An den schweigenden Wachen vorbei marschierte der kleine Trupp zum Flussufer.
    Der Seigneur des Iles versuchte den Lärm und das Prasseln der Flammen zu ignorieren, deren Echo über die Stadtmauern von Auray klang. Es stand nicht in seiner Macht, etwas für die Menschen dort zu tun, und das ergrimmte ihn noch mehr als die Höflichkeit, die ihm der Herzog auferlegt hatte. Es mochte politische Gründe geben, das Plündern zu erlauben, aber es widerstrebte ihm trotzdem.
    Je mehr er sich dem Söldnerlager näherte, desto näher schien er dem Inferno der Hölle zu kommen. Die Eskorte des Herzogs rückte unwillkürlich enger auf. Die glänzenden Helme und Hellebarden verschafften dem jungen Ritter immerhin soviel Respekt, dass sich die Reihen widerwillig vor ihm öffneten, bis er vor einem mürrischen Hauptmann stand, der eben einen leeren Weinschlauch sinken ließ.
    Rund um die beiden Männer verstummte schlagartig der Lärm. Nur das Prasseln des Feuers war zu hören. Kérven des Iles konzentrierte seine Aufmerksamkeit einzig auf den Söldnerführer und brachte seine Botschaft knapp an den Mann. Er kannte ihn, es war Gordien Bonnet, Cocherels rechte Hand, der Mann, der ihm blind ergeben war und der in Grausamkeit nur von seinem Herrn übertroffen wurde.
    »Seine Gnaden, Jean de Montfort, Herzog der Bretagne, bittet Paskal Cocherel zu sich. Ich soll Euren Herrn in die Burg geleiten!«
    »So ... sollt Ihr ...«, knurrte der andere und wischte sich mit dem Handrücken die letzten Weinreste aus dem struppigen Bart. »Da werdet Ihr wohl unverrichteter Dinge wieder gehen müssen, Messire Ritter! Der Herzog von St. Cado ist nicht hier!«
    Kérven knirschte mit den Zähnen. »Und wo finde ich ihn? Sprecht schon, Mann!«
    »Das kann ich Euch nicht sagen!« Das Blitzen von Zähnen hinter dem Bart verriet ein Grinsen, wenngleich die Bewegung der Lippen hinter dem verfilzten Gestrüpp völlig verschwand. »Aber Ihr könnt gern hier warten, falls es Euch Vergnügen macht, mit uns zu feiern. Vielleicht kommt er ja, vielleicht auch nicht ...«
    Der unverhohlene Spott, mit dem der Mann ihn behandelte, trieb Kérven das Blut in die Stirn. Es kostete ihn alle Beherrschung, die Worte des Schurken nicht mit der Faust zu beantworten. Feiern? Sein schneller Blick nahm die bedrückenden Einzelheiten des Söldnerlagers in sich auf. Die weiße, verkrümmte Gestalt eines vergewaltigten Mädchens, das so nahe beim Feuer lag, dass sie zu glühen schien. Eine Trossdirne oder eine Bürgerin von Auray? Er wusste, dass es besser war, diese Frage nicht zu stellen, aber er schmeckte die Galle, die in ihm hochstieg.
    »Ich habe keine Zeit zu warten«, erwiderte er kalt und zwang sich, allein an seinen Auftrag zu denken. Dennoch legte er unwillkürlich die Rechte
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