Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Graciana - Das Rätsel der Perle

Graciana - Das Rätsel der Perle

Titel: Graciana - Das Rätsel der Perle
Autoren: Marie Cordonnier
Vom Netzwerk:
Sie machte sich keine Illusionen über das Schicksal von Frauen, die zwischen die Fronten eines Krieges gerieten. Sie hatte es schon einmal erlebt.
    Das Lager der Söldner befand sich bei der Mühle von Auray in unmittelbarer Nähe der zerstörten Stadtmauern. Bis der jämmerliche Trupp es erreichte, wurde es von einem wüsten Gelage beherrscht, das den erschreckten Nonnen alle Greuel des Weltunterganges vorgaukelte. Betrunken sowohl vom Sieg wie auch vom Wein, der aus den erbeuteten Fässern in der Stadt floss, schloss sich die johlende Menge um die zitternden Klosterfrauen.
    Graciana drängte sich enger an Schwester Berthe, aber es war die arme Adela, der die erste Aufmerksamkeit des berauschten Pöbels galt. Sie hatte erst vor wenigen Monaten ihre Gelübde abgelegt, und die Haare, die ihr bei dieser Feier geschoren worden waren, wuchsen in zarten braunen Löckchen nach. Man konnte es erkennen, weil sie im Verlaufe der Ereignisse ihre Haube verloren hatte. Das fromme Gewand war über der Schulter eingerissen, und ein hässlicher, schmutzig verschorfter Riss zeichnete die bleiche Haut.
    Rohes Gelächter brauste auf, und ein Hüne mit blutbeflecktem Hemd zückte sein Messer über dem weinenden Mädchen. Graciana schrie auf, aber er hieb lediglich das Seil durch, das Adela an die anderen Gefangenen band. Danach ging alles blitzschnell.
    »Schau nicht hin«, murmelte Schwester Berthe mit belegter Stimme und zog Graciana hinter ihren stämmigen Körper.
    Aber sie konnte die Augen nicht abwenden. Sie konnte auch nicht beten. Von Adelas erstem Wimmern an stand sie wie zur Salzsäule erstarrt da, und die abscheulichen Ereignisse brannten sich mit glühenden Messern in ihre Seele ein.
    Seltsamerweise nahmen Gracianas Ohren nur die hilflosen Laute der missbrauchten Nonne wahr. Wie konnte Gott das zulassen? Wo blieb seine Gerechtigkeit, seine Güte, seine ordnende Hand? Adela hatte ihm in Fleiß und Frömmigkeit gedient, sollte das ihre Belohnung sein? Das Martyrium durch die Hände von Männern, die sich in Bestien verwandelt hatten?
    In diesen wenigen Herzschlägen zerbrach etwas in Graciana. Ein natürliches Vertrauen, das sie bisher trotz aller Schrecken noch aufrecht erhalten hatte. Der anerzogene Glaube an ein christliches rechtschaffenes Leben, in dem alles seinen Platz und seine Bestimmung hatte.

2. Kapitel
    Man könnte meinen, wir hätten diese Schlacht verloren«, murrte John Chandos, dessen englische Krieger Jean de Montfort in der Schlacht von Auray so erfolgreich beigestanden hatten. Wie sein Begleiter mied er lieber die Trauer des neuen Herzogs der Bretagne. »Das Land liegt zu seinen Füßen, er braucht es nur noch aufzuheben und zu regieren!«
    Der andere Ritter schwieg. Chandos mochte recht haben, aber er war dennoch ein Fremder. Ein Waffengefährte, der nicht begreifen konnte, was es bedeutete, dass Karl von Blois den Tod auf dem Schlachtfeld gefunden hatte. Mochten sich die beiden Vettern auch eine politische Fehde geliefert haben, so trauerte Montfort doch um den toten Krieger, so wie es alle Menschen in der Bretagne tun würden, sobald die Nachricht von seinem Tode die Runde machte.
    »Er kann nicht zugleich einen lebenden Vetter und das Herzogtum der Bretagne haben«, machte Chandos seinem Unmut erneut Luft. »Er sollte Gott und seinen Freunden danken, dass vom heutigen Tag an Frieden im Land herrscht!«
    Kérven des Iles, der Herr von Lunaudaie, an den er sich mit diesen Worten wandte, zuckte mit den breiten Schultern. Eine Bewegung, die ihn daran erinnerte, dass er in der zurückliegenden Schlacht zwar keine schweren Wunden, aber doch eine Reihe von schmerzenden Blessuren davongetragen hatte. Er sehnte sich inständig nach einem Ort, an dem er seine müden Knochen ausstrecken und für ein paar Stunden Vergessen finden konnte. Aber daran war im Moment nicht zu denken. Jean de Montfort mochte trauern, aber er erwartete, dass seine Befehle umgehend befolgt wurden. Besonders jene, die er an seine engsten Vertrauten richtete, und Kérven zählte zu diesem bevorzugten Kreis.
    »Die Bürger von Auray würden Eure Sicht vom Frieden vielleicht nicht gerade teilen«, gab er dem Engländer zur Antwort und zeigte auf die brennende Stadt.
    »Sie hatten die Wahl, auf wessen Seite sie sich schlagen«, stellte der englische Kriegsherr kühl fest. »Das Schicksal der Besiegten ist immer übel. Außerdem ist es ein geschickter Schachzug, dem Wolf von St. Cado Auray als Knochen zuzuwerfen.«
    »Paskal Cocherel einen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher