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Grabesgrün

Grabesgrün

Titel: Grabesgrün
Autoren: Tana French
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stieg von den Seiten auf wie Benzingase, beißend und schwindelerregend. »Jess ist traurig dass ich zur Ballettschule gehe sie hat geweint. Rosalind hat gesagt wenn ich gehe bringt Jess sich um + ich bin schuld ich soll nicht immer so egoistisch sein. Ich weiß nicht was ich machen soll wenn ich Mum und Dad frage lassen sie mich vielleicht nicht gehen. Ich will nicht dass Jess stirbt.«
    »Simone hat gesagt ich darf nicht mehr krank werden deshalb hab ich heute Abend zu Rosalind gesagt ich will es nicht mehr trinken. Rosalind sagt ich muss sonst bin ich nicht mehr gut im Tanzen. Ich hatte voll Angst weil sie so wütend war aber ich war auch wütend und ich hab gesagt nein ich glaub ihr nicht ich glaube ich werd krank davon. Sie sagt das wird mir noch leidtun + Jess darf nicht mit mir sprechen.«
    »Christina ist sauer auf mich am Dienstag war sie bei uns + Rosalind hat zu ihr gesagt, ich hätte gesagt, sie wär nicht mehr gut genug für mich, wenn ich zur Ballettschule gehe + Christina will nicht glauben dass ich das nicht gesagt hab. Jetzt reden Christina und Beth nicht mehr mit mir aber Marianne noch. Ich hasse Rosalind ICH HASSE SIE ICH HASSE SIE.«
    »Gestern hatte ich mein Tagebuch wie immer unter meinem Bett + dann wars weg. Ich hab nichts gesagt aber dann ist Mum mit Rosalind + Jess zu Tante Vera + ich bin zu Hause geblieben + hab Rosalinds Zimmer durchsucht es war in einem Schuhkarton in ihrem Schrank. Ich hatte erst Angst es zu nehmen weil sie es jetzt weiß und total sauer ist aber das ist mir egal. Ich werde es hier bei Simone aufbewahren ich kann drin schreiben wenn ich allein übe.«
    Der letzte Eintrag trug das Datum drei Tage vor Katys Tod. »Rosalind tut es leid dass sie sich so mies verhalten hat weil ich weggehe sie war nur wegen Jess besorgt + findet es blöd dass ich so weit weggehe sie wird mich auch vermissen. Um alles wiedergutzumachen will sie mir einen Glücksbringer für die Ballettschule schenken.«
    Ihre Stimme klang klein und hell durch die runden Kugelschreiberbuchstaben, tanzte im Sonnenlicht mit den Staubkörnchen. Katy, seit einem Jahr tot; ihre Gebeine auf dem grauen, geometrischen Friedhof von Knocknaree. Ich hatte seit dem Prozess nur selten an sie gedacht. Selbst während der Ermittlungen hatte sie, um ehrlich zu sein, weniger Raum in meinen Gedanken eingenommen, als man meinen möchte. Das Opfer ist der einzige Mensch, den man nicht kennenlernt. Katy war nur eine Mischung verschwommener, widersprüchlicher Bilder gewesen, verfälscht durch die Worte anderer, wichtig nur durch ihren Tod und die sengenden Konsequenzen, die er nach sich gezogen hatte. Ein einziger Augenblick auf dem Ausgrabungsgelände in Knocknaree hatte alles andere verdunkelt, was sie je gewesen war. Ich stellte mir vor, wie sie hier auf dem Bauch gelegen hatte, auf dem hellen Holzboden, wie die zarten Flügel ihrer Schulterblätter sich bewegten, während sie schrieb und Musik um sie aufstieg.
    »Hätte es etwas geändert, wenn wir es früher gefunden hätten?«, fragte Simone. Ihre Stimme erschreckte mich, und mein Herz fing an zu rasen. Ich hatte fast vergessen, dass sie da war.
    »Wahrscheinlich nicht«, sagte ich. Ich hatte keine Ahnung, ob das stimmte, aber sie wollte es hören. »Nichts, was hier steht, bringt Rosalind in direkten Zusammenhang mit einer Straftat. Katy erwähnt zwar, dass sie genötigt wurde, irgendetwas zu trinken, aber Rosalind hätte einfach behaupten können, es wäre ein Vitamintrunk oder so gewesen. Das Gleiche bei dem Glückbringer: Er beweist gar nichts.«
    »Aber wenn wir es vor ihrem Tod gefunden hätten«, sagte Simone leise, »dann ...«, und dazu konnte ich natürlich nichts sagen, nicht das Geringste.
    Ich steckte das Tagebuch in einen Beweisbeutel und schickte es Sam ins Präsidium. Es würde in einem Karton im Keller verschwinden, irgendwo in der Nähe meiner alten Kleidung. Der Fall war abgeschlossen; Sam würde mit dem Tagebuch nichts mehr anfangen können, es sei denn, Rosalind machte das Gleiche mit jemand anderem. Ich hätte es gern Cassie geschickt, als eine Art wortlose und nutzlose Entschuldigung, aber es war nicht mehr ihr Fall, und überhaupt war ich mir längst nicht mehr sicher, ob sie verstehen würde, wie ich das meinte.
    Einige Monate später hörte ich, dass Cassie und Sam sich verlobt hatten. Bernadette schickte an alle eine E-Mail mit der Bitte, sich an einem Geschenk zu beteiligen. Am selben Abend sagte ich Heather, das Kind eines Kollegen hätte
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