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Gottessoehne

Gottessoehne

Titel: Gottessoehne
Autoren: Tyra Reeves
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dann werden sie schon merken, dass ich unersetzbar bin. Das wird sie lehren, mich in Zukunft besser zu behandeln.
    Der Blick des Chirurgen fiel zurück auf den an Schläuchen hängenden Patienten auf dem OP-Tisch.
Dieser Mann hat eh keine Chance mehr, der Krebs hat sich schon zu weit ausgebreitet. Er könnte doch genauso gut jetzt hier im OP-Saal sterben. Einen kleinen Schalter umlegen und das war’s. Warum nicht?
    Der grauhaarige Postangestellte betrachtete müde seine Frau, die neben ihm im Bett lag. Sie schlief noch tief und fest. Seit zwanzig Jahren waren sie nun schon verheiratet. Er versuchte, sich daran zu erinnern, warum er sie damals geheiratet hatte. Vergebens. Es fiel ihm kein triftiger Grund ein. Schön war sie auch nicht mehr und so manches Mal hatte er sich vorgestellt, wie es wäre, frei zu sein. Aber nie würde sie in eine Scheidung einwilligen. Müde setzte er sich auf. Er nahm das Kopfkissen und legte es behutsam auf ihr Gesicht.
    Die Erde bebte unter Kates Füßen und sie fühlte, wie Sam am ganzen Körper zitterte und es ihm immer größere Mühe bereitete, das Gleichgewicht zu halten. »Kate geht es dir gut?«, klang es leise durch das Zischen und Dröhnen um sie herum. »Ja, soweit man das behaupten kann«, antwortete sie mit krächzender Stimme.
    »Ich, ich kann mich nicht mehr lange halten. Oh, ich… oh mein Gott, hilf uns.« Sam schleuderte den Satz mit letzter Kraft gegen den Himmel und sackte dann zusammen. Kate fiel mit ihm, noch immer von den matt glänzenden Flügeln wie in einem sicheren Kokon eingehüllt.
    »Sam!« Kates Hand tastete nach seinem Gesicht, es war kalt und starr. »Sam, so antworte doch. Was hast Du?«
    Ein roter Lichtblitz stieß vom Himmel hinab und brach tief in die Erde hinein, direkt zwischen Sam und dem monströsen Scheusal. Das rote Licht war so intensiv, dass es durch Kates geschlossene Augenlider drang. Es strahlte Wärme und Kraft aus. Kate blinzelte und schälte sich aus der schützenden Umhüllung von Sams Flügeln. Das weitläufige Areal des Bauplatzes war in warmes, rotes Licht getaucht. Kate schaute Sam ins Gesicht, er hatte die Augen geschlossen, seine Gesichtszüge waren entspannt, als ob er schliefe. Dann blickte sie nach vorne, wobei sie versuchte, Azazel nicht direkt anzusehen und entdeckte den roten Lichtstrahl, der eine ätherische Brücke zwischen Himmel und Erde bildete. In dem pulsierenden Lichtstrahl befand sich ein riesenhaftes Wesen, ebenso hoch wie das Monster mit den Schlangenköpfen. Es hatte Kate den Rücken zugekehrt und ließ Azazel nicht aus den Augen. In der rechten Hand hielt es ein gewaltiges Schwert, das nur aus lodernden Flammen zu existieren schien. Gigantische Flügel ragten aus seinen Schultern, sie waren über und über mit Pfauenfedern bedeckt. Langes, gewelltes, goldbraunes Haar fiel weich seinen Rücken hinab. Die goldene Rüstung, in der sein kraftstrotzender Körper steckte, reflektierte das Flammenschwert in all seinen rötlichen Schattierungen. Azazel begann, laut zu zischen, und die Schlangenhälse mit den zwei Gesichtern stießen immer wieder in die Richtung des gewaltigen Engels mit der Goldrüstung. Der Engel deutete mit dem Flammenschwert auf Azazel und rief mit laut tönender Stimme: »Wer ist wie Gott?«
    Der Klang seiner Stimme war das Schönste und zugleich Machtvollste, was Kate jemals in ihrem Leben vernommen hatte. Der Schmerz in ihren geschunden Schienbeinen und in ihrem Kopf erstarb. Ihre Angst löste sich auf und ein stärkendes Gefühl von Hoffnung und Kraft durchströmte sie. Azazel begann sich zu winden. Seine Flügel, die eben noch den unheilvollen Wind verbreitet hatten, hingen schlaff herab. Die Schlangenhälse zuckten und bogen sich, als würden sie von Furcht und Schmerz getrieben. Azazel bäumte sich noch einmal auf, stieß ein unmenschliches Kreischen aus und zerstob dann in tausend winzige Staubpartikel.
    Die Luft frischte auf und eine Amsel stimmte ein Morgenlied an. Lilith stand immer noch an der gleichen Stelle. Vor dem riesigen Engel wirkte sie winzig und harmlos. Bittend hob sie die Hände zu ihm hoch, er wand ihr den Blick zu und zeigte mit der Spitze seines Schwertes auf sie. Lilith krümmte sich, ihr reich verziertes Diadem fiel in den Staub. Ihre Haut verdunkelte sich in wenigen Sekunden in zahlreiche graue Schattierungen, wie die Schuppenhaut eines Reptils. Sie fiel nach hinten, und die Wirbel ihres Rückgrats knackten als sie auf den Boden trafen. Sie begann sich in wilden Bewegungen
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