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Gottesdienst

Titel: Gottesdienst
Autoren: M Gardiner
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hoher Baum Feuer gefangen, der sie mit einem gespenstischen Licht beleuchtete, ein gewaltige Fahne aus lodernden Flammen, die am Himmel hin- und herzuckte. Tabitha griff nach meiner Hand. Ihre immer noch mit dem Blut meines Bruders verschmierten Finger berührten mich, als über ihr ein Krachen ertönte: ein schwerer Ast war kurz davor, sich aus dem brennenden Baum zu lösen. Sie hob den Kopf und sah, wie der Ast über ihr im Wind schlingerte. »Vorsicht!«, schrie ich. Sie sprang in dem Moment vom Felsen herunter, bevor der Ast genau an der Stelle auftraf, wo sie sich soeben noch festgeklammert hatte.
    Sie landete auf allen vieren, kam aber wieder hoch und suchte in der Felswand nach einem anderen Weg nach oben. Mit einer Hand wischte sie sich die schweißtriefenden Locken aus der Stirn. Sie versuchte es gerade etwas weiter rechts, als der brennende Baum wie ein Komet niederfuhr und sie unter sich begrub.
    Ich sprang auf, aber sie war verschwunden. Mein Schrei mischte sich unter das gespenstische Heulen des Feuers.
     
    Ich ließ mich auf der anderen Seite der Felswand herabgleiten. Luke wartete auf mich. Ich ergriff seine Hand, und wir rannten bergab.
    »Wo ist meine Mama?«
    »Wir müssen uns beeilen, wir dürfen nicht stehen bleiben.«
    Sonst sagte ich nichts, lief immer nur weiter – bis die Trauer mich übermannte und ich mich einfach umdrehen musste. Die Flammen züngelten über den Bergkamm, kurz davor, ins nächste Tal überzuspringen. Ihr Appetit war längst noch nicht gestillt. Das war also der Moment der Wahrheit, der Moment, in dem das Universum mit den Achseln zuckte. Das Schicksal hatte uns auf die Schulter geklopft.
    Wir stolperten aus dem Gestrüpp auf eine Straße, geradewegs in die Arme der Feuerwehr.

30. Kapitel
    Die Feuerwehrmänner verfrachteten uns in das Führerhaus ihres Fahrzeugs. Luke setzten sie eine Sauerstoffmaske auf. Er saß da und ließ den Berghang nicht aus den Augen. Er wartete auf Tabitha. Der Einsatzleiter, ein kräftiger Mann mit einem weißen Schnauzbart, hängte sich ans Funkgerät und verständigte die Polizei, die uns aus dem Gefahrengebiet abholen sollte.
    Ich berührte ihn am Ärmel seiner feuerfesten Jacke. »Mein Freund ist noch da draußen. Er versucht den Pass zu erreichen, um meinen Bruder ins Krankenhaus zu bringen. Er wurde angeschossen.«
    Er starrte mich ungläubig an. »Den Pass? Über den Highway oder über die alte Straße?« Und er teilte mir mit, dass ein Wagen der Highway Patrol auf der Old San Marcos Pass Road von den Flammen eingeschlossen worden war. Ich hatte mich benommen und völlig ausgepumpt gefühlt, aber als ich das hörte, begann die Panik wieder in mir hochzusteigen. Über den Highway, antwortete ich. Er schnappte sich das Mikrofon und setzte einen Funkspruch ab.
    Luke zog sich die Sauerstoffmaske herunter. »Holen die denn nicht meine Mama?«
    Der Feuerwehrmann fuhr zu mir herum. »Ist da denn noch jemand oben in den Bergen? Eine Frau?«
    »Meine Mama«, erwiderte Luke.
    Ich sah dem Mann in die Augen und schüttelte den Kopf. Dann nahm ich Luke in die Arme und erzählte ihm, was passiert war.
     
    Luke neben mir, seine kleine Hand in meiner, steuerten wir auf die Notaufnahme des St. Francis Medical Center zu. Nikki, die auf meiner anderen Seite ging, hatte mir einen Arm um die Schultern gelegt.
    Das war unsere letzte Station. Vorher hatte ich die anderen Krankenhäuser abtelefoniert und mit der Highway Patrol gesprochen, hatte die überfüllte Notaufnahme im Cottage Hospital aufgesucht. Niemand hatte Jesse oder Brian gesehen. Sie waren in den Rauchschwaden verschwunden.
    St. Francis wirkte hell und steril. Auf einem Fernsehschirm im Warteraum waren die Bilder des Tages zu sehen: feuerrot gefärbte Berge, hysterische Reporter, brennende Häuser, Mädchen, die auf galoppierenden Pferden flüchteten. Mein Kopf dröhnte. Ich wankte müde zum Empfang, wo eine Schwester im rosa Kittel sich lebhaft am Telefon unterhielt.
    »Entschuldigen Sie.«
    Sie hob einen Finger, um mich für eine Minute zu vertrösten.
    Nikki trat vor. »Entschuldigen Sie«, sprach sie die Schwester an, »wir müssen wissen, ob Sie hier einen Patienten mit einer Schussverletzung haben, Lt. Commander Brian Delaney.«
    Mit ihrer Stimme hätte man Weidepfähle in den Boden rammen können. Die Schwester blickte auf. Nikki fuhr fort: »Und wir müssen es sofort wissen, weil wir sonst die Notfallrettung losschicken müssen, um ihn im Feuer aufzuspüren.«
    Die Schwester musterte uns
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