Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gottesdienst

Titel: Gottesdienst
Autoren: M Gardiner
Vom Netzwerk:
folgen.
    Sie packte mich am Bein.
    Ich blickte hinunter in ihr wutverzerrtes Gesicht. »Dämonin!«, fauchte sie. Sie klammerte sich fest und richtete sich an meinem Bein auf. »Du widersetzt dich der Bibel. Gib ihn zurück!«
    Ich ächzte vor Schmerz und versuchte mich zu befreien, aber aus ihrem Griff gab es kein Entrinnen.
    »Er gehört mir!« Halb schrie sie, halb schluchzte sie. »Brian hat mich immer nur ausgenutzt. Er und der ganze Rest der Welt. Er schuldet mir was.«
    Dann grub sie ihre Zähne tief in meine Wade.
    Mit einem Schrei fiel ich zu Boden. Chenille warf sich herum und wälzte sich mit ihrem ganzen Gewicht auf mich. Sie lehnte sich so nah zu mir, als ob sie mich küssen wollte. Sie sah furchtbar aus. Aus einer Tasche zog sie etwas Glänzendes und fuchtelte damit vor meiner Nase herum. Es war eine Ampulle.
    »So, Schwester, jetzt bist du dran! Willkommen zur Apokalypse!«
    Und sie schmetterte die Ampulle an einen Felsen neben meinem Kopf. Fing an zu weinen, dann zu lachen und schließlich zu kreischen.
    Ich hatte sofort den Atem angehalten und schaffte es nach wenigen Sekunden, sie abzuwerfen. Sie wehrte sich nicht. Ich krabbelte auf allen vieren von ihr weg, richtete mich auf, begann zu rennen. Noch immer hielt ich die Luft an. Ob ich wohl gleich tot umfallen würde? Ich stürmte weiter, kletterte den Pfad nach oben. Mit einem Blick über die Schulter vergewisserte ich mich, dass sie mir nicht folgte. Sie stand mit gereckten Fäusten da wie ein siegreicher Boxer, als das Feuer sie von der Berghöhe her einholte.
     
    Ich rannte den Pfad bergan, erklomm jetzt die andere Seite der Schlucht. Im Moment war völlig egal, ob Chenille mich vergiftet hatte oder nicht; ich konnte ohnehin nichts mehr dagegen tun. Ich konnte nur noch weglaufen und das Ergebnis abwarten. Inschallah, so Gott will.
    Hilf mir hier raus, Gott, flehte ich. Hilf mir, verdammt noch mal. Der Pfad wurde immer steiler, das Gestrüpp und der Rauch immer dichter. Ich konnte kaum noch atmen und spürte überwältigenden Durst. Über mir konnte ich erkennen, wie sich Tabitha vorankämpfte. Sie schien zwar jegliche Kraft verloren zu haben, aber nicht ihren Willen. Auf dem Rücken trug sie Luke. Ich mobilisierte meine letzten Reserven und versuchte alles zu geben, was ich hatte, damit ich zu ihnen aufschließen konnte.
    Die Flammen hatten inzwischen die Talsohle der Schlucht überwunden und rasten den Hügel hinter mir hoch. Das Feuer war nur noch wenige hundert Meter von mir entfernt. Und im Gegensatz zu einem Menschen wird das Feuer schneller, wenn es sich bergauf bewegt.
    Vor Tabitha konnte ich den Bergkamm ausmachen. Wenn wir den Kamm erreichten, konnten wir es schaffen. Sobald das Feuer den Gipfel erreichte, würde der Wind es vielleicht die Kammlinie entlang lenken. Und wir konnten auf der abgewandten Seite des Berges etwas Zeit zum Verschnaufen finden. Aber die Schlucht war steil, und wir wurden immer langsamer. Jeder Schritt war unendlich mühsam.
    Ich drehte mich noch einmal um. Die Flammen waren näher gekommen.
    Tief sog ich die heiße Luft ein. Jetzt liegt es an dir, Delaney. Ich wette, du kannst schneller laufen als das Biest, das dir an den Fersen klebt. Scheiß auf das Feuer als reinigende Kraft, als Erneuerer, als ökologischer Ausgleich. Ich hatte nicht vor, mich reinigen, erneuern und recyceln zu lassen, ich wollte nicht als Blumenerde oder fossiler Brennstoff enden. Vergiss den ganzen Mist mit dem Kreislauf des Lebens und zeig, was du kannst.
    Ich stieß einen lauten Schrei aus und spannte alle Muskeln in Armen und Beinen an. Fest. Fester als ich es je für möglich gehalten hätte. Ich wusste, dass ich jetzt meine allerletzte Kraft aufbringen musste. Als sie meinen Schrei hörte, lief Tabitha schneller. Dann rutschte sie aus und stürzte. Luke fiel mit ihr zu Boden.
    Ich erreichte Tabitha und zerrte sie wieder hoch. Hinter uns verschlangen die Flammen den Steineichenwald und sprangen fauchend wie eine Lokomotive von Baumwipfel zu Baumwipfel. Der Rauch und die fürchterliche Hitze lasteten schwer auf uns. Heiße Asche und Funken verbrannten uns die Haut. Luke hockte völlig reglos da und starrte vor sich hin.
    Ich kniete vor ihm nieder. »Rauf mit dir, ich nehm dich huckepack.«
    Er schien wie gelähmt vor Schreck. Aber er kletterte auf meinen Rücken, und ich spurtete erneut los. Er klebte an mir wie eine zweite Haut, ein zweites Herz. Hinter mir kämpfte Tabitha keuchend damit, nicht den Anschluss zu verlieren. »Halt dich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher