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Gorian 2

Gorian 2

Titel: Gorian 2
Autoren: Alfred Bekker
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etwas Dunklem verdeckt wurde – dem Schattenbringer, den die Magie Morygors allmählich vor die Sonne schob, sodass die Erde immer mehr zu einem Reich der Kälte wurde.
    Die Zeltstadt rund um Toque befand sich in Auflösung, und ihre Bewohner bestanden in diesen Tagen auch nicht überwiegend aus Pilgern, sondern aus Flüchtlingen, denen es gelungen war, sich bis nach Toque zu retten. Dass ihnen allerdings der Nimbus der mächtigen Kathedrale Schutz vor den heranrückenden Horden Morygors bieten konnte, schienen die wenigsten von ihnen zu glauben. Stattdessen versuchten einige mit allen Mitteln, das garilanische Ufer zu erreichen, doch die breite Brücke, die sich über den Bar spannte, war hoffnungslos verstopft. Manche ließen sich mit Booten übersetzen oder versuchten einen Platz an Bord eines der Flussschiffe zu ergattern, mit denen man bis nach Nelbar in Oquitonien gelangen konnte, wo der Bar in das laramontische Meer mündete. Ein noch größerer Zug von Menschen bewegte sich allerdings über die dem quellanischen Ufer folgende Straße nach Süden, was bedeutete, dass ihnen der breite Strom keinerlei Fluchtmöglichkeit mehr ließ, wenn der Feind auftauchte.
    Und dieser Feind war nahe …
    … und unbarmherzig.

    Schon seit drei Tagen waren keine weiteren Flüchtlinge mehr über die Ebene der quellanischen Felder nach Toque gelangt. Ein Zeichen, das nicht zu missdeuten war.
    Am Horizont schob sich ein mehrere Klafter hoher Eispanzer gen Süden und Westen. Die Geschwindigkeit, mit der dieser breite Gletscher vordrang, widersprach allem, was man über die Natur des Eises wusste. Wie eine zähflüssige Masse walzte sich das Eis vorwärts und begrub alles unter sich, während ein frostiger Hauch die Verteidiger von Toque erstarren ließ. Voller Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit blickten die wenigen Ritter und Landsknechte, die noch auf den Mauern und Türmen der Stadt ausharrten, dieser grauweißen Wand entgegen. Einige zu allem entschlossene Schwertmeister des Ordens der Alten Kraft befanden sich unter ihnen, zu erkennen an den Meisterringen, die sie trugen. Aber ein Großteil der Bewaffneten hatte schon vor Tagen zusammen mit dem Herzog und seiner Familie und dem Bischof die Stadt verlassen.
    Die graue Wand näherte sich, und noch ehe die Dunkelheit hereinbrach, walzten die Eismassen die äußeren Stadtmauern nieder, schoben sich durch die Straßen, drückten Hauswände ein und begruben bis auf eine Höhe von anderthalb Klaftern alles unter sich, was ihnen im Weg stand. Das Eis hatte dabei eine Geschwindigkeit, die dem eines Wanderers mit normalem Schritttempo entsprach. Da auch die Straße nach Süden auf viele Meilen von dem heranfließenden Gletscher betroffen war, blieb den vielen Menschen, die sich noch in der Stadt befanden, nur noch die Flucht über die völlig überladene Brücke des Bar oder zur Kathedrale, die ebenso wie das herzögliche Schloss auf einer Anhöhe gelegen war.
    Bald ragte der von Menschen umlagerte Bereich um die
siebentürmige Kathedrale wie eine Insel aus einem vereisten Ozean. Das etwas tiefer gelegene herzogliche Schloss hingegen wurde zum Großteil ebenfalls von den Eismassen fortgerissen. Einzig und allein der Burgfried hielt noch stand und ragte trotzig aus dem grauen Eis hervor, das sich weiter voranschob, dem Fluss entgegen, in den sich das Eis schließlich als zähflüssiger Strom ergoss.
    Immer wieder brachen Gletscherstücke ab und wurden südwärts getrieben. Manchmal brachten diese Eisstücke Boote und Flussschiffe in arge Bedrängnis, und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis auf dem Oberlauf des Flusses, der eigentlich auf der gesamten Länge zwischen Toque bis Nelbar schiffbar war, jeglicher Transport eingestellt werden musste.
    Die Eismassen brachten schließlich auch die Pfeiler der Brücke zum Einsturz. Ein Treck von Tausenden, die niemand mehr davon hatte abhalten können, trotz aller drohenden Gefahr die völlig überfüllte Brücke zu betreten, stürzte in die Tiefe. Aber ihr Schreien ging unter in den manchmal eher stöhnenden, dann wieder mehr schabenden oder krachenden Lauten, die das Eis bei seinem Vormarsch verursachte.
    Dichtes Schneegestöber setzte ein, und der eisige Wind frischte auf, so als hätten sich alle in Morygors Diensten stehenden Frostgötter dazu entschlossen, im selben Moment ihren kalten Hauch über das Land zu verbreiten.
    Aus der Kathedrale drangen die Gesänge verzweifelter Gläubiger sowie einiger Geistlicher aus den niederen Rängen
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