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Gorian 2

Gorian 2

Titel: Gorian 2
Autoren: Alfred Bekker
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Thondarils Magie gezeigt hatte, hatte er dennoch genug gesehen, um zu ermessen, wie ernst die Lage war.
    »Das, was ich euch gerade zeigte, sandte mir Schwertmeister Sarenthorm durch Handlichtlesen«, erklärte Thondaril. »Leider habe ich die Verbindung zu ihm verloren und befürchte das Schlimmste.«
    »Bis Toque sind sie also schon«, murmelte Meister Aarad, und sein von schlohweißem Haar umrahmtes Gesicht bekam noch zusätzlich ein paar tiefe Sorgenfalten. Seit sie in Gryphenklau weilten, war der Leiter der Ordensgesandtschaft Gorian immer wie ein Sinnbild innerer Gelassenheit und des seelischen Gleichmuts vorgekommen. Aber das war wie verflogen, und die Verstörung war ihm nur allzu deutlich anzusehen. »Die Kathedrale von Toque dem Erdboden gleichgemacht …« Er schüttelte verzweifelt den Kopf. »Wie kann der Verborgene Gott so etwas zulassen? Wie
kann er tatenlos mitansehen, wie eines der Wahrzeichen des Glaubens an ihn in Grund und Boden gewalzt wird?«
    »Ich fürchte, dass sich das Heilige Reich in Auflösung befindet«, erklärte Thondaril, und seine Stimme klang hart und klar dabei. »Der Kaiser ist nach Arabur in seine laramontische Stammlande geflohen, aber es ist nicht anzunehmen, dass Laramont von Morygors Horde lange verschont bleiben wird. Der Oberlauf des Bar wird inzwischen gefroren sein, und nachdem Toque gefallen ist, werden die Leviathane jetzt über das Tiefland von Garilanien herfallen. In Atanien befindet sich nur noch ein schmaler Küstenstreifen nicht in der Gewalt des Feindes, was wohl nur der Tatsache geschuldet ist, dass die zerklüfteten Höhen des mittelatanischen Gebirges das Vordringen der Leviathane etwas verlangsamen oder sie zu Umwegen zwingen. Zwei Drittel des Heiligen Reichs sind schon von Morygor erobert worden. Von Pantanela und einem Großteil des nördlichen Ogerlandes können wir das nur vermuten, weil uns von dort schon seit langem keine Nachrichten mehr erreichen. Bis zu den Inseln der Dreilande ist das Meer gefroren – und das Eis breitet sich unaufhaltsam weiter nach Süden und Westen aus.« Thondaril atmete tief durch. »Und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Morygor, wenn seine Schergen die südlichen Grenzen des Heiligen Reichs erreicht haben, plötzlich die Tugend der Bescheidenheit für sich entdeckt. Die Leviathane werden Garilanien im Eiltempo durchqueren und Mitulien erreichen – und danach auch den Norden Gryphlands.«
    »Es müssten sich alle Mächte zusammenschließen, die noch zum Widerstand in der Lage sind«, meinte Gorian.
    »Daran arbeite ich, seit der Krieg ausgebrochen ist und sich gezeigt hat, dass offenbar kein Heer dieser Welt
Morygors Horden allein aufzuhalten vermag«, erklärte ihm Meister Aarad. »Aber das ist leichter gesagt als getan. Nicht einmal alle überlebenden Großen innerhalb des Heiligen Reichs sind sich wirklich einig – und hier in Gryphland oder in Westreich scheint man darauf zu hoffen, dass der eisige Hauch über das eigene Land hinwegzieht wie ein vorübergehendes Unwetter.«
    »Jeder, der zum Himmel aufblickt und sieht, um wie vieles mehr der Schattenbringer die Sonne verdeckt als noch vor ein paar Wochen, muss doch begreifen, dass sich dieser Wunsch nicht erfüllen kann«, sagte Gorian voll grimmigem Unverständnis über solche falschen Hoffnungen.
    »Ja, aber du wirst zugeben, dass es leichter fällt, gegen einen Feind ins Feld zu ziehen, gegen den zu siegen zumindest eine Möglichkeit besteht«, entgegnete Torbas. »Ehrlich gesagt, kann ich die in diesem Fall bislang nicht erkennen.«
    Er wandte den Kopf und sah Gorian an, und sein Blick hatte einen Ausdruck, den Gorian nicht so recht zu deuten wusste. Wo war die selbstbewusste, spöttische Überheblichkeit, die sonst so kennzeichnend für Torbas war? Wo die Unerschrockenheit, die sich nicht selten in purer Respektlosigkeit gegenüber allem und jedem geäußert hatte? Gorian war sich mittlerweile sicher, dass sich diese Wandlung in den eisigen Weiten des Frostreichs ereignet hatte. Torbas hatte offenbar eine Form von Furcht kennengelernt, die ihm zuvor unbekannt gewesen war – und vor allem auch die Grenzen der eigenen Fähigkeiten und Kräfte.
    Schließlich hatte er es nicht vermocht, der Aura Morygors zu widerstehen und Gorian trotz aller gegen ihn gerichteten Magie und ihn bedrängenden Einflüsterungen bis zum Speerstein zu folgen. Stattdessen hatte er ebenso aufgeben
müssen wie Sheera und sogar der zweifache Ordensmeister Thondaril. Ein tief greifendes
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