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GONE Lügen

GONE Lügen

Titel: GONE Lügen
Autoren: Michael Grant
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Mensch, welche Schrecken die FAYZ sonst noch in sich barg. Sie konnten überall lauern: in der Wüste und den an sie anschließenden Gebirgszügen im Osten, in den Wäldern im Norden oder in der Tiefe des Ozeans.
    Die Gefahren der FAYZ waren allgegenwärtig.
    Die Gestalt, die sich jetzt aus der Finsternis schälte, entpuppte sich jedoch als Mädchen.
    »Ich bin’s, Sinder«, sagte sie.
    Sam entspannte sich. »Hey, Sinder. Bisschen spät, was?«
    Er mochte Sinder. Sie war ein Gothic Girl und gehörte zu denen, die sich aus den Kriegen und Grabenkämpfen in der FAYZ heraushielten.
    »Gut, dass ich dich treffe«, sagte sie und schulterte ein Stahlrohr, das an einem Ende mit Klebeband umwickelt war. Ohne Waffe ging niemand mehr vor die Tü r – schon gar nicht nachts.
    »Alles okay? Hast du genug zu essen?«
    Inzwischen begrüßten sich alle so. Nicht mehr mit »Wie geht’s?«, sondern mit »Hast du genug zu essen?«.
    »Ja, wir kommen zurecht.« Durch ihren gespenstisch blassen Teint sah sie sehr jung und zerbrechlich au s – eigentlich eher sanft, wären da nicht das Rohr, die schwarz lackierten Fingernägel und das Küchenmesser in ihrem Gürtel gewesen.
    »Sam, du weißt, es ist überhaupt nicht meine Art, andere anzuschwärzen oder so«, sagte sie und fühlte sich sichtlich unbehaglich.
    »Ja, das weiß ich«, antwortete Sam abwartend.
    »Es geht um Orsay«, fuhr Sinder fort und warf einen schuldbewussten Blick über ihre Schulter. »Ich rede manchmal mit ihr. Sie ist ziemlich cool drauf, irgendwie interessant.«
    »Ja.«
    »Orsay ist unten bei der Wand.«
    »Bei der Wand?«
    »Unten am Strand. Sie is t … sie glaub t … Hör mal, sprich mit ihr, okay? Erzähl ihr aber nicht, dass ich dich drum gebeten habe.«
    »Ist sie jetzt dort? Es ist zwei Uhr nachts!«
    »Sie treffen sich immer um diese Uhrzeit. Damit ihnen Zil keinen Ärger mach t – oder du. Kennst du die Stelle, wo die Wand vom Clifftop zum Strand runtergeht? Bei den Felsen? Da findest du sie. Es sind noch andere Kids bei ihr.«
    Sam spürte ein Prickeln im Nacken. In den letzten Monaten hatte er ein ziemlich gutes Gespür dafür entwickelt, wann sich Ärger anbahnte. Das hier fühlte sich eindeutig so an.
    »Okay, ich seh’s mir an.«
    »Cool.«
    »Gute Nacht, Sinder. Pass auf dich auf.«
    Während er weiterging, fragte er sich, welcher neue Irrsinn ihn wohl jetzt wieder erwartete. Beim Hotel warf er einen Blick zu Lanas Balkon.
    Patrick, Lanas Labrador, musste ihn gehört haben, denn er stieß ein kurzes warnendes Bellen aus.
    »Ich bin’s, Patrick!«, rief Sam im Flüsterton.
    In der FAYZ waren Hunde und Katzen selten geworden. Dass Patrick noch nicht als Hundeeintopf geendet hatte, verdankte er allein der Tatsache, dass er der Heilerin gehörte.
    Am Rand der Klippe spähte er in die Finsternis und meinte, unten bei den Felsen die Schatten mehrerer Leute zu erkennen. Als er und Quinn noch surfen gegangen waren, war das ihre Lieblingsstelle gewesen. Nirgends sonst waren die Wellen so hoch und mächtig hereingerollt und keine Stelle war so gefährlich gewesen. Aber darum hatten sie sich nicht gekümmert.
    Für den Weg nach unten benötigte Sam kein Licht. Er war den Pfad so oft mit seiner gesamten Ausrüstung rauf- und runtergelaufen, dass er den Abstieg auch mit verbundenen Augen bewältigt hätte.
    Am Fuß der Klippe drangen leise Stimmen an sein Ohr. Eine, die sprach, eine andere, die weinte.
    Zu seiner Linken erhob sich die Wand, die sie in der FAYZ einschloss und von der wie immer ein unscheinbarer Grauschimmer ausging. Direkt am Wasser brannte ein kleines Lagerfeuer und warf einen orangegelb flackernden Lichtkreis auf das Ufer und die Felsen.
    Da ihn niemand bemerkt hatte, schlich er sich näher heran und machte sich rasch ein Bild von dem halben Dutzend Kids, von denen er die meisten kannte.
    »Ich habe etwas gesehen«, begann Orsay.
    »Was ist mit meiner Mom?«, rief jemand.
    Orsay hob beschwichtigend die Hand. »Warte. Ich tue mein Bestes, um eure Familien zu erreichen.«
    »Sie ist kein Handy, okay?«, sagte das Mädchen neben Orsay scharf. »Für die Prophetin ist es sehr schmerzhaft, die Barriere zu berühren. Lasst ihr Zeit. Und hört auf ihre Worte.«
    Sam duckte sich. Im flackernden Licht des Feuers waren die Gesichtszüge des dunkelhaarigen Mädchens nicht zu erkennen. War sie eine Freundin von Orsay?
    »Fang noch einmal an, Prophetin«, sagte sie jetzt.
    »Danke, Nerezza«, erwiderte Orsay.
    Sam schüttelte vor Staunen den Kopf.
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