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GONE Lügen

GONE Lügen

Titel: GONE Lügen
Autoren: Michael Grant
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Er hatte keine Ahnung gehabt, dass Orsay solche Sachen trieb, und schon gar nicht, dass sie sich dafür eine Assistentin zugelegt hatte. Von einer Nerezza hatte er noch nie gehört.
    »Ich habe etwas gesehen«, fing Orsay noch einmal an und hielt kurz inne, als rechnete sie damit, abermals unterbrochen zu werden. »Eine Vision.«
    Das schien ein Murmeln auszulösen, obwohl es auch nur das leise Plätschern des ans Ufer laufenden Wassers sein konnte.
    »In meiner Vision standen alle Kinder der FAYZ, die großen und die kleinen, am Rand der Klippe.«
    Wie auf Knopfdruck wandten die Anwesenden ihre Köpfe und blickten zum Klippenrand hinauf. Sam duckte sich instinktiv, obwohl ihn in der Finsternis und im Schatten der Felswand garantiert niemand sehen konnte.
    »Die Gefangenen der FAYZ betrachteten voller Staunen die untergehende Sonne. Ein so unbeschreiblich schöner Sonnenuntergang. Von einem Rot und einer Kraft, wie ihr es noch nie gesehen habt.« Sie schien von ihrer Vision wie hypnotisiert.
    Jetzt waren wieder alle Gesichter auf Orsay gerichtet. In der kleinen Gruppe war kein Laut zu hören.
    »Alle Kinder blickten zu dieser roten Sonne. Aber hinter ihne n … tauchte ein Teufel auf. Ein Dämon.« Orsay zuckte zusammen, als könnte sie den Anblick der Kreatur nicht ertragen. »Die Kinder erkannten auf einmal, dass alle Menschen, die sie lieben, in dieser roten Sonne versammelt waren. Ihre Mütter und Väte r … sie strecken ihnen die Arme entgegen und warten voller Sehnsucht und von Sorgen gequält darauf, dass sie endlich wieder nach Hause kommen.«
    »Danke, Prophetin«, sagte Nerezza.
    »Sie warte n …« Orsay zeigte zur Wand. »Gleich da drüben, auf der anderen Seite.«
    Jetzt sackte sie wie eine Marionette zusammen, deren Schnüre schlaff geworden waren. Eine Zeit lang saß sie in sich versunken da, doch dann richtete sie sich wieder auf.
    »Ich bin bereit.« Sie legte eine Handfläche auf die FAYZ-Wand.
    Sam erschrak. Er wusste aus eigener Erfahrung, wie weh das tat. Als griffe man in eine elektrische Leitung. Man verbrannte sich nicht, aber es fühlte sich so an.
    Orsays schmales Gesicht verzerrte sich vor Schmerz, doch als sie sprach, klang ihre Stimme klar und gefasst. Als läse sie ein Gedicht vor.
    »Sie träumt von dir, Brad«, sagte sie zu einem der Anwesenden. »Sie träumt, dass d u … Ihr seid im Freizeitpark. Du hast Angst vor der Fahrt mit dem Ghost Rider . Sie erinnert sich, wie sehr du dich bemüht hast, mutig zu sein. Deine Mutter vermisst dich.«
    Brad schniefte. Neben ihm lag eine selbst gebastelte Waffe, ein Spielzeuglichtschwert, aus dessen Spitze lauter Rasierklingen ragten. Seine Haare waren zu einem Pferdeschwanz nach hinten gebunden.
    »Sie weiß, dass du hier bist. Sie weiß es und sie will, dass du zu ihr komms t …«
    »Das geht nicht«, schluchzte Brad.
    Orsays Helferin legte tröstend den Arm um seine Schultern.
    » … wenn die Zeit dafür reif ist«, fuhr Orsay fort.
    »Wann ist das?«
    »Sie träumt, dass du bald bei ihr sein wirst. In drei Tagen. Sie glaubt ganz fest dara n …« Orsays Stimme klang fast schon ekstatisch. »Sie hat die anderen dabei gesehen.«
    »Wobei?«, wollte ein Junge namens Francis wissen.
    » … die anderen, die wieder aufgetaucht sind.« Ihre Stimme wurde immer leiser, als wäre sie kurz davor einzuschlafen. »Sie waren im Fernsehen. Die Zwillinge Anna und Emma geben Interviews und erzähle n …«
    Orsay riss plötzlich die Hand von der Wand, als könnte sie den Schmerz nicht länger ertragen.
    Sams Anwesenheit war noch immer nicht bemerkt worden. Er zögerte. Eigentlich müsste er sie fragen, was das alles sollte. Aber irgendetwas hinderte ihn daran. Die Szene hatte etwas Feierliches, als würde er in eine Art Gottesdienst platzen, wenn er sich jetzt bemerkbar machte. Stattdessen zog er sich langsam und leise ins Schattendunkel der Klippe zurück.
    »Das ist alles für heute.« Orsay senkte den Kopf.
    »Ich will etwas über meinen Dad erfahren«, drängte sie ein Junge namens Conrad. »Du hast mir versprochen, dass ich heute an der Reihe bin.«
    »Sie ist müde«, entgegnete Orsays Helferin streng. »Ist dir eigentlich klar, wie viel Kraft sie das kostet?«
    »Mein Dad ist sicher auch da drüben und möchte mit mir sprechen.« Conrad war den Tränen nahe. Er deutete auf die Barriere, als wäre er überzeugt, dass sein Vater genau dort stand und versuchte, durch die Milchglasscheibe zu spähen. »Wahrscheinlich ist er d a …« Weiter kam er
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