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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber
Autoren: Andreas Gößling
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– mit voller Rüstung, Schild und Schwert. Auch eine Fahne brauchen wir, den Dolmetscher und natürlich den Notar. Aber keine Geschütze, überhaupt keine Feuerwaffen – verstanden?«
    Portocarrero und Alvarado nicken erneut.
    »Abmarsch in einer halben Stunde«, sagt Cortés. »Grijalva hat richtig gehandelt, als er die Götzenbilder zerstören ließ. Die Indianer sind Teufelsanbeter – das hat der Heilige Vater höchstpersönlich erklärt. Also ist es auch unsere Christenpflicht, sie zum Glauben an Gott den Herrn zu bekehren.«
    Er hält inne und sieht seine drei Vertrauten nacheinander eindringlich an.
    »Deshalb sind wir hier, vergesst das niemals«, fährt er fort. »Um die Macht Gottes auf Erden zu mehren!«
    »Und unsere Erträge«, murmeln Portocarrero, Alvarado und Sandoval im Chor.
    In ihren Augen bemerke ich wieder diesen fiebrigen, fast irrsinnigen Glanz. Auch in den dunkelbraunen Augen von Hernán Cortés.
- 3 -
    Kaum sind wir drei Schritte tief im Dickicht, da umfängt uns Dämmernis. Nur in dünnen Fäden, zitternd wie Spinnweb, flirren Sonnenstrahlen durch die Wipfel hoch über uns.
    Pedro de Alvarado stapft auf dem Trampelpfad voran, gefolgt von einem Fahnenträger, der die Tanto Monta , die spanische Flagge, an einem Messingstab trägt. Dahinter marschieren Cortés und Sandoval, dann Diego und ich, gefolgt von Alvarados Einheit. In geringem Abstand folgt Portocarrero mit dem Notar Pedro Gutierrez, dem schielenden Dolmetscher Melchorejo und weiteren Hundert Konquistadoren.
    Papageien krächzen, Affen schreien. Mit einem Palmwedel fächele ich mir stickig heiße Luft zu. Bleischwer hängt das Kurzschwert an meinem Gürtel und will mich mit sich zu Boden ziehen. Am liebsten würde ich mir Wams und Hemd vom Leib reißen, doch das käme den Mücken, die uns in hellen Schwärmen umschwirren, gerade recht. Vor allem aber würden mich die Konquistadoren verfluchen, die in voller Rüstung durch diese dampfende Hölle marschieren. Der Boden erbebt unter ihren Tritten. Die Scharniere an ihren Arm- und Beingelenken rasseln. Portocarreros Flüche dröhnen durch den Wald.
    Damit wir die Indianer in ihrem Versteck überraschen könnten, müssten sie schon allesamt stocktaub sein. Aber Anschleichen gehört ohnehin nicht zu Cortés’ bevorzugten Plänen. Unterwegs auf der Santa Maria hat er Sandoval und den beiden anderen Männern einmal seine Kampfstrategie erklärt. »Wir müssen die Indianer in Angst und Schrecken versetzen – durch unser Auftreten und Aussehen, durch Schnelligkeit und Entschlossenheit. Auch durch Grausamkeit, wenn es nicht anders geht – aber wirklich nur dann.«
    Nach einigen Hundert Schritten wird der Pfad zum Weg, breit genug, dass Diego bequem neben mir gehen kann. Wie mit dem Lineal gezogen, führt er auf einen rechteckigen Platz zu, in dessenMitte sich ein wuchtiges Bauwerk erhebt. Eine steinerne Plattform, mit Moosflechten überzogen, zu der fünf Stufen emporführen. Darauf ein würfelförmiger Tempel mit einem gewaltigen Säulenportal.
    »Bis hier war ich auch mit Grijalva«, sagt Alvarado, der mittlerweile zur Linken von Cortés geht. »Aber dann keinen Schritt mehr weiter. Die Indianer hatten sich im Wald versteckt, wir hörten nur ihre Trommeln, Triller und Schreie – aber die scheinbar von überall. Grijalva ließ uns die Götzenbilder zertrümmern und die Überreste unserer geopferten Gefährten begraben – danach hasteten wir zu den Schiffen zurück.«
    Wir gehen auf den Tempel zu, und mein Herz beginnt wieder, hart und schnell zu schlagen. Das Bauwerk macht einen düsteren, ja unheilvollen Eindruck. Die oberste Treppenstufe ist fingerdick mit Blut verkrustet. Aber es ist altes Blut, geronnen und so schwarz wie das Tempelinnere hinter dem Türloch.
    Sandoval geht furchtlos hinein und kehrt im nächsten Moment zurück: »Da drinnen ist niemand – auch keine Dämonen.«
    Zersplitterte Balken und Bretter, leuchtend grün und rot bemalt, liegen um den Tempel verstreut. Auf der Plattform, auf den Treppenstufen, im knöchelhoch wuchernden Gras. Anscheinend sind es Überreste der Götzenbilder, die Grijalvas Männer hier in Trümmer gehauen haben.
    Unsere Männer hocken sich auf Felsbrocken und Baumstämme vor dem Tempel oder einfach ins Gras. Viele von ihnen haben ihre Helme abgenommen und trocknen sich den Schweiß auf Stirn und Wangen. Auf einmal kommt es mir geradezu unwirklich still vor. Nur das Sirren der Mücken ist zu hören und das leise Scheppern von Eisen. Keine
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