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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber
Autoren: Andreas Gößling
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steht über uns auf der Kapitänsbrücke, gekleidet in die prächtigen Gewänder, die er sich gleich nach seiner Ernennung zum Caudillo zugelegt hat – zum obersten Kommandanten unserer Expedition. Er trägt den Hut mit Federbusch und seinen schwarzen Samtumhang mit den goldenen Quasten und Schleifen. Golddurchwirkt sind auch seine Strümpfe, die unter dem Saum des Umhangs hervorblitzen, und die Troddeln an seinen Stiefeln, die ich ihm vorhin eigens für diesen Anlass blank putzen musste. Sein Gesicht ist blass und starr wie meistens, doch seine Brust ist gewölbt und seine Augen funkeln.
    »Das Vertrauen der Menschen kann kostbarer als alle irdischen Schätze sein«, hat Cortés vor einigen Wochen zu mir gesagt.»Ihre Herzen sind wie unsichtbare Goldminen, Orteguilla – und du bist dazu berufen, dieses Gold zu schürfen.«
    Segel werden gerafft, Anker fahren rasselnd in die Tiefe. Oben auf der Brücke hebt Cortés seine Hand – auf allen elf Schiffen heben die Hornbläser ihre Instrumente an die Lippen und spielen eine überschwängliche Fanfare.
    Wer auch immer in den Wäldern da drüben lauern mag, so lautet unsere Botschaft – wir werden uns nicht verstecken! Geschweige denn, uns zermürben und verjagen lassen wie der zaghafte Grijalva letztes Jahr.
    Viel weiter als bis hierher ist er nicht vorgedrungen. Nur ein paar Dutzend Seemeilen nördlich befahl er seinen Kapitänen, Hals über Kopf nach Kuba zurückzukehren. Dabei hatten sie unten in Yucatan schon beträchtliche Goldschätze erbeutet – Goldfiguren und -masken und vergoldete Holzscheiben so groß wie Wagenräder. Doch wo immer sie anlegten, wurden sie mit einem Hagel von Speeren und Pfeilen empfangen. Gut zwei Dutzend Männer hatten ihr Leben bereits verloren – die meisten von ihnen auf Opferaltären –, als Grijalva den Befehl zur Rückkehr nach Kuba gab. Dort aber beschimpfte ihn Gouverneur Velazquez als feige Milchamme und beauftragte Cortés, so schnell wie möglich eine neue Expedition auszurüsten und dort weiterzumachen, wo Grijalva den Mut verloren hatte.
    Die Matrosen haben unterdessen die Beiboote zu Wasser gelassen. Gleich werde ich zum ersten Mal die wilde, unerforschte Welt betreten, von der ich seit so vielen Jahren träume. Mein neues Leben hat begonnen! Was wird es mir bringen – welche unerhörten Abenteuer und Entdeckungen?
    Während ich an der Strickleiter ins Boot hinunterklettere, schicke ich ein Stoßgebet zum Himmel empor: Heilige Muttergottes, bitte mach, dass wir kein Gold finden – jedenfalls hier noch nicht, Amen!
- 2 -
    Mit zweihundertfünfzig Mann in zwei Dutzend Booten gehen wir an Land. Der größere Teil unserer Streitmacht bleibt vorerst auf den Schiffen. Wir sind die gewaltigste Expedition, die jemals in diesen Breitengraden gekreuzt ist – fünfhundertfünfzig Konquistadoren; nicht mitgerechnet Pagen wie mich und Diego, Kapitäne und Seeleute, Zimmerer und Schmiede, Priester, Ärzte und Notare; und ganz zu schweigen von den fast zweihundert Sklaven aus Kuba und Afrika, die Cortés für alle groben Arbeiten mitgenommen hat, heimlich und gegen Gouverneur Velazquez’ Befehl.
    Ich springe aus dem Boot ins flache Wasser und verliere fast das Gleichgewicht. Nach sechs Tagen auf See muss ich mich erst wieder daran gewöhnen, dass der Boden unter meinen Füßen nicht unaufhörlich schlingert und stößt. Außerdem ist die Luft hier so feuchtheiß, dass sie über dem blendend weißen Sand flimmert. Der Schweiß tropft mir nur so aus den Haaren und Diego geht es nicht besser. Schwankend wie Betrunkene stapfen wir durch den knöcheltiefen Sand, der zum Wald hin sanft ansteigt.
    Hernán Cortés ist uns ein Dutzend Schritte voraus, doch als seine Pagen sind wir verpflichtet, in Sicht- oder wenigstens Rufweite zu bleiben. Wie üblich wird er von seinen drei engsten Vertrauten begleitet – dem »Dröhnenden«, dem »Durchtriebenen« und dem »Tollkühnen«, wie ich diese ungleiche Dreiheit für mich nenne.
    »Verdammt noch mal, hier ist doch keine Sau!«, schreit gerade eben Alonso de Portocarrero und schaut sich nach allen Seiten um.
    Er ist Ende zwanzig und stämmig wie ein Weinfass. Sein rundes Gesicht mit dem dünnen schwarzen Bart ist wie meistens ziegelrot. Cortés hat ihn aus irgendeinem Grund in sein Herz geschlossen, vielleicht nur deshalb, weil sie beide in Medellín aufgewachsen sind. Portocarrero ist sogar mit dem Grafen von Medellín verwandt, doch er flucht von früh bis spät wie ein Henker.
    »Bist du
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