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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber
Autoren: Andreas Gößling
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Der Wald hallt von ihren Trommeln und Schreien.
    Oder wollen sie uns nur tiefer ins Dickicht locken – an einen Ort, an dem sie uns niedermachen können? Mithilfe von Skorpionen und Giftschlangen, die sie laut Grijalva herbeizurufen vermögen, oder mit Steinlawinen, die wie von selbst auf Berghängen niederdonnern, wenn der Teufel ihre Zauberpriester erhört?
    Aber Cortés fürchtet weder den Teufel noch die Götzen, in deren Gestalt sich der Satan von den Indianern anbeten lässt – so jedenfalls haben es uns die Priester auf Kuba und noch an Bord der Santa Maria wieder und wieder erklärt. Unser Herr fürchtet niemanden als Gott und den König, und selbst diese beiden vielleicht nicht jederzeit. Im Marschieren macht er dem Flaggenträger ein Zeichen, und der nimmt das Horn, das ihm am Lederriemen über der Schulter hängt, und bläst einen aufsteigenden Dreiton.
    Im nächsten Moment rennen wir los.
- 4 -
    Für die Dauer eines halben Herzschlags hört das Getöse im Dickicht auf, und wieder ist es, als ob der ganze Urwald zu atmen vergäße. Dann beginnen die Indianer aufs Neue, zu trommeln und zu heulen, und überall im Gestrüpp kann ich nun ihre erschrockenen Gesichter sehen. Stirn und Wangen leuchtend grün und blau und gelb bemalt, dazwischen die weit aufgerissenen Augen. Bunter Federschmuck wippt auf ihren Köpfen, und so bizarrihr Anblick ist, so unbegreiflich furchterregend muss unsere Heerschar in ihren Augen erscheinen: Hunderte bärtiger Männer in eiserner Kleidung, mit Schilden und Schwertern, die klirrend und scheppernd auf ihrer Prunkstraße entlangrennen, so wie die Indianer es ja eigentlich vorgesehen hatten.
    Nur dass wir in die falsche Richtung stapfen – nicht in panischer Flucht zu den Schiffen zurück, sondern tiefer in den Wald! Auf ihren Teufelstempel zu, denn gewiss führt diese Straße geradewegs zu dem Heiligtum, in dem sie ihre abscheulichen Messen zelebrieren, seit Grijalva befohlen hat, ihre Götzen in dem anderen Tempel zu zertrümmern. Damit hat er ganz richtig gehandelt, wie Cortés uns erklärt hat – nur hielt Grijalvas Mut seinen eigenen Befehlen leider nicht stand.
    Das Wummern der Trommeln wird leiser, ebenso die Pfiffe und Schreie. Bald schon sind sie gänzlich verstummt und nun ist nur noch das Stampfen unserer Schritte und das Rasseln von Eisen zu hören.
    »Warum im Sturmschritt«, keucht neben mir Diego, »verstehst du das, Orte?«
    Ich habe schon angefangen, meinen Kopf zu schütteln, da fällt mir die Antwort ein. »Menschenopfer!«
    Für mehr reicht mein Atem nicht, aber an Diegos Gesicht sehe ich, dass er auch so schon verstanden hat. Dass ihm genauso wie mir wieder eingefallen ist, was die Männer, die mit Alvarado letztes Jahr hier waren, auf der Santa Maria erzählt haben. Die Götzen sind die vielerlei Fratzen und Gestalten des Satans. Wenn die Indianer sie auf genau vorgeschriebene Weise anbeten, werden sie dafür mit verschiedenerlei Zauber belohnt. Mit Regengüssen, die ihre Felder bewässern – oder eben mit Giftmückenplagen, Schlammlawinen oder sonstigen Verheerungen, die ihre Feinde schwächen. Doch als Gegenleistung verlangen die Teufelsgötzen jedes Mal ein Menschenopfer, das auf ihren Altären geschlachtet wird.
    Und deshalb rennen wir! Im Sturmschritt auf das Heiligtum der Indianer zu – um ihnen zuvorzukommen, um ihre Priester zu überwältigen, die ausersehenen Opfer unter dem Schlachtbeil fortzureißen! Um Jesu Christi willen, aber genauso zu unserem eigenen Wohl. Bevor die Götzenpriester das Opfer dargebracht haben, bevor der Teufel sie dafür mit einem Schadenszauber belohnen kann, müssen wir zur Stelle sein!
    Bei allen Heiligen im Himmel, denke ich, warum laufen wir nicht schneller! Von teuflischen Tempeln ist weit und breit nichts zu sehen – nur Dickicht links und rechts und vor uns das graue Band der Straße, das sich scheinbar endlos dahinzieht. Übergangslos bricht nun auch noch ein Sturzregen auf uns herein – mit Tropfen so groß wie Gewehrkugeln, die auf Blätter und Äste, auf die Helme und Schilde der Konquistadoren prasseln, dass es wahrhaftig wie Gewehrschüsse knallt. Nur ein paar Atemzüge später sind wir von Nebel umgeben – so dicht und dampfend, dass ich kaum mehr meinen Vordermann sehen kann.
    Ist das schon ein Unwetter, das der Teufel geschickt hat, um uns zu schaden? Aber diese Straße hier, sage ich mir dann, kann unmöglich Teufelswerk sein – dafür ist sie zu klug erdacht und zu solide erbaut. Weiterhin stürzen
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