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Goldfieber

Goldfieber

Titel: Goldfieber
Autoren: Andreas Gößling
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sicher, dass du damals nicht stinkbesoffen warst, Pedro«, fährt er mit seiner dröhnenden Bassstimme fort, »als du hier einen Haufen verdreckter Eingeborener gesehen hast?«
    Pedro de Alvarado wirft ihm einen abschätzigen Blick zu. »Wahrscheinlich haben sie dich schreien gehört, Alonso«, sagt er, »und sind in den Wald abgehauen.«
    Sein schmales Gesicht ist zu einem verschlagenen Lächeln verzogen. Während er spricht, sieht er sein Gegenüber nie länger als für einen Atemzug an. Seine bernsteinbraunen Augen, wie stets zu Schlitzen zusammengekniffen, flitzen unablässig hin und her.
    »Dann fangen wir sie eben ein!«, steuert Gonzalo de Sandoval bei.
    Sandoval ist erst einundzwanzig Jahre alt, und doch gehört er schon zu den Männern, denen Cortés am meisten vertraut. Er ist hochgewachsen, breitschultrig und der vortrefflichste Schwertkämpfer, den ich jemals gesehen habe. Außerdem der geschickteste Reiter und beste Armbrustschütze weit und breit. Er hat vor nichts und niemandem Angst und Diego und ich bewundern ihn hemmungslos. So wie dieser tollkühne Hüne mit den hellbraunen Locken, den blauen Augen, dem offenen Lachen möchten auch wir einmal werden.
    »Langsam, Gonzalo«, wendet Alvarado ein. »Gerade hier sind uns die Indianer zuerst ganz friedlich begegnet. Wir hatten ja nur den schielenden Melchorejo als Dolmetscher dabei und der Kerl versteht bloß ein paar Brocken Spanisch. Aber mit seiner Hilfe hat Grijalva den Indianern irgendwie klargemacht, dass wir in friedlicher Absicht gekommen sind und von ihnen nichts weiter als Nahrungsmittel und Wasser wollen.«
    Er wirft Cortés einen Blick zu, seine Augen funkeln. »Und Gold«, fügt er hinzu. »So viel Gold, wie sie auftreiben könnten – im Tausch gegen Glasperlen und sonstigen Klimperkram.«
    Alvarado war bei Grijalvas Expedition letztes Jahr dabei. Als er erfuhr, dass Cortés eine neue Expedition organisierte, war ersofort zur Stelle und bot von sich aus an, eines der Schiffe auf eigene Kosten auszurüsten. In Kuba hat Cortés ihn tagelang auf seiner Hazienda bewirtet, und dort habe ich selbst mit angehört, wie er von den goldenen Statuen, Masken und Rädern erzählte. Seine Augen glänzten, und da erkannte ich, dass auch er vom Goldfieber befallen ist. Aber er versteht es, sich vollkommen zu verstellen, und ich glaube, dass Cortés ihn vor allem wegen dieser Gabe schätzt: Pedro de Alvarado lässt sich niemals anmerken, was er im Schilde führt.
    »Und da sind sie zornig geworden?«, fragt Sandoval und tastet unwillkürlich nach seinem Schwert. »Als ihr von ihnen Gold verlangt habt?«
    Alvarado schüttelt den Kopf. »Da noch nicht«, antwortet er. »Das kam erst, als Grijalva befohlen hat, ihre Götzenbilder zu zerstören.«
    Hernán Cortés bleibt unvermittelt stehen und seine Begleiter tun es ihm gleich. Während Diego und ich zu ihnen aufschließen, schaut sich unser Herr die wellenförmigen Linienmuster im Sand an.
    »Pedro hat recht«, sagt er und wie immer klingt seine Stimme vollkommen beherrscht. »Vor Kurzem muss es hier noch vor Indianern gewimmelt haben. Dann aber haben sie wohl unsere Schiffe da draußen gesehen und daraufhin alle Spuren mit Palmwedeln verwischt. Seht ihr?« Er deutet auf die Muster im Sand.
    Unser Herr ist einen halben Kopf kleiner als Alvarado und Portocarrero und der junge Hüne Sandoval überragt ihn sogar um mehr als Haupteslänge. Trotzdem wäre jedem, der diese vier Männer zufällig beobachten würde, auf der Stelle klar, wer von ihnen das Sagen hat. Und das liegt keineswegs nur an den kostbaren Gewändern, die Cortés trägt.
    Der »Dröhnende«, der »Durchtriebene« und der »Tollkühne« pflichten ihm nickend bei. Auch ich schaue mir die Linienmustergenauer an. Auf den ersten Blick sehen sie aus, als ob die Meeresflut sie in den Sand gezeichnet hätte. Dafür sind sie allerdings nicht gleichmäßig genug – doch das wäre mir von selbst bestimmt nicht aufgefallen.
    »Weit können sie noch nicht sein«, fügt Cortés hinzu.
    Er wirft einen Blick zum Wald hinauf, der in einer Entfernung von vielleicht fünfzig Schritten beginnt. Eine Wand aus Stämmen, Astwerk und fleischig aussehenden Blättern, dunkelgrün, fast schwarz. Zumindest aus dieser Entfernung ist kein Weg durch das Dickicht auszumachen. Doch je länger ich zum Waldrand hinaufstarre, desto mehr kommt es mir vor, als ob dort hinter Laub und Zweigen Augenpaare lauern.
    »Alonso, Pedro«, sagt Cortés, »stellt zweimal hundert Mann zusammen
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