Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Goldbrokat

Titel: Goldbrokat
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
wollte noch einige Zeit in Barbizon an seinen Maltechniken arbeiten. Drago hatte ihm aber ein Schreiben ausgestellt, mit dem er jederzeit eine Passage auf einem der Klipper erhalten würde, die für sein Handelshaus fuhren.
    Ja, und dann hatten wir noch Hannah dabei. Hannah hatte drei Tage rumgedruckst, nachdem ich verkündet hatte, dass die Kinder und ich Drago begleiten würden. Dann hatte sie endlich gefragt, ob sie mitkommen dürfe. Zunächst war ich skeptisch, doch Drago meinte sehr nüchtern: »Im Settlement hat jede ledige junge Frau die besten Chancen, einen Mann ihrer Wahl zu finden, Tigerin. Wenn wir ein bisschen aufpassen, dass sie keine Dummheit begeht, ist sie über kurz oder lang mit einem reichen Kaufmann verheiratet.Warum soll sie die Chance nicht nutzen?«
    Ja, warum eigentlich nicht? Ein Chinahändler war sicher eine bessere Alternative als ein Missionar mit Mundgeruch und schweißigen Händen.

    Es galt für uns alle jetzt nach vorne zu schauen, auch wenn natürlich manche Erinnerungen lebendig blieben.Wehmut verspürte ich natürlich dann und wann, wenn ich an den Abschied von meinen Eltern und Freunden dachte, an LouLou und Nona vor allem und an Madame Mira, der ich so viel verdankte. Einem anderen Menschen hatten Drago und ich ebenfalls unseren Dank abgetragen – Armand Dufour und Eustache hatten wir den chinesischen Teppich geschickt, den einst Servatius mitgebracht hatte, damit er endlich wieder mit seinem Gegenstück vereint war. Das blumig und überschwänglich formulierte Dankesschreiben Dufours wies tatsächlich Tränenspuren auf.
    Besondere Freude aber bereitete mir die Gewissheit, dass ich wirklich wieder schwanger geworden war. Und das Kind aller Voraussicht nach auf festem Boden zur Welt bringen würde. Auch wenn man es mir so angenehm wie möglich zu machen versuchte, an Bord mangelte es doch an ein paar Bequemlichkeiten.
    Mit raschen Handgriffen zog ich das Gewand über meinen Kopf und richtete meine Haare, obwohl sie vermutlich gleich wieder vom Wind zerzaust werden würden. Dann wartete ich auf den Ersten Offizier, der mich heute an Deck geleiten wollte, damit endlich ein letztes loses Fädchen ordentlich verknüpft werden konnte.
     
    Philipp ließ sich geduldig von seiner Schwester die Schleife um den Kragen legen. Es war das erste Mal auf dieser Reise, dass er den Anzug tragen musste. Einmal war ja auch in Ordnung, vor allem zu diesem Anlass. Ansonsten hatten sie die gleichen Anzüge wie Papa bekommen, Laura und er, und das war kolossal praktisch. Überhaupt – die ganze Angelegenheit war ein Fest nach dem anderen, seit Papa diesen Mann verprügelt hatte. Und nun waren sie auf dem Weg nach China. Man stelle sich das nur mal vor! Nach China! Mama, Papa, Laura, er, Hannah und George. Und Captain Mio. Es war so aufregend, in der Schule konnten sie über gar nichts anderes mehr sprechen, seit es bekannt
geworden war. Und dann waren sie nach Hamburg gefahren und hatten auf diesem phantastischen Schiff ihre Kajüten bezogen. Er teilte seine mit George, ein patenter Kerl, und Laura die mit Hannah.
    Die ersten Tage war es ganz schön kabbelig gewesen, in der Nordsee und dann auch noch im Atlantik. Er hatte sich nicht so ganz wohl gefühlt. Eigentlich hatte er sich sauschlecht gefühlt, und wenn man’s richtig betrachtete, hatte er eigentlich sterben wollen. Und was ihn dabei ganz besonders wütend gemacht hatte, war, dass Laura kein bisschen seekrank geworden war. Nur Captain Mio war ein bisschen schlapp gewesen. Aber nun hatten er und der alte Pirat richtige Seebeine bekommen. Es war aber auch stürmisch gewesen. So heftig hatte es geblasen, dass er dann und wann tatsächlich einen der Matrosen den wilden Nick um Beistand hatte anrufen hören. Der Schutzheilige der Seefahrer, der heilige Nikolaus, hatte dann just an seinem Namenstag, dem sechsten Dezember, ein Einsehen, und die Fahrt wurde ruhiger. Und damit begann das Abenteuer erst richtig.Was gab es nicht alles zu entdecken und zu lernen. Zwei Herren von der Universität begleiteten sie, ein Botaniker, der alles über Pflanzen wusste, und ein Zoologe, der die ganze Tierwelt kannte. Papa hatte sie gebeten, ihm und Laura Unterricht zu geben. Sie waren über den allerneuesten Stand der Wissenschaft informiert, und Mann, die sagten, der Herr Darwin hätte herausgefunden, dass die Menschen vom Affen abstammten.Was hatte Papa darüber gelacht! Er meinte, das müsse ganz bestimmt für sie gelten, weil sie wie die Äffchen in der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher