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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat
Autoren: Andrea Schacht
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Gesellschaft sprachlos zu machen. Eines meiner großen Talente, wie es schien.Vor allem aber Drago sah mich mit sprachloser Verblüffung an.
    Nur George bewahrte Geistesgegenwart. Ich sah ihn lächeln, ja fast grinsen.
    »Cousin Drago!«
    Drago wandte sich um.
    »Schnauze fallen!«
    »Ah, richtig.«
    Und zum dritten Mal an diesem Tag versammelte sich, diesmal auf sehr anmutige Weise, ein Herr zu meinen Füßen. Er berührte mit der Stirn den Boden und richtete sich dann auf.
    Er sagte nichts, sah mich nur an und neigte sich noch einmal bis auf den Boden.
    Ich hörte die Damen seufzen. Bis auf eine.
    »Mama, wirklich? «, quiekte Laura neben mir.
    » Wirklich , Mama?« Auch Philipps Stimme überschlug sich.
    »’türlich.Wenn Drago tai pan uns mitnimmt.«
    Der richtete sich wieder auf und sagte: »Dieser elende, unwürdige
Lumpenhund wird glücklich sein, dich und deine Brut in sein Heim zu führen, verehrungswürdige TaiTai.«
    Jemand fing an zu klatschen, und alle anderen fielen mit ein.
     
    Es war später Nachmittag geworden, bis schließlich alle gegangen waren und Drago und ich alleine unsere Zimmer aufsuchen konnten. Er hielt mir die Tür zu seiner Suite auf, und ich trat ein.
    »Erschöpft, kleine Tigerin?«
    »Nein, seltsamerweise nicht.«
    Ich stand vor ihm, und er legte seine Hände auf meine Hüften. Ich legte die meinen auf seine Schultern.
    »Du meinst es ernst, Ariane?«
    »Ja, Drago. Überrascht es dich?«
    »Ja. Ich habe mir viele Möglichkeiten ausgedacht, wie ich mich zukünftig mehr um dich und die Kinder kümmern könnte. Diese war nur eine ganz vage Hoffnung.« Und dann grinste er wieder. »Ich hätte allerdings hart daran gearbeitet.«
    Ich sah ihm in die Augen.
    »Ich habe damals einen großen Fehler gemacht, Drago. Aus Dummheit und Selbstsucht habe ich das Wichtigste übersehen.«
    Er strich mir mit einem Finger über die Wange.
    »Ich doch auch, meine Tigerin. Aber es hat gehalten, trotz allem.«
    Ich musste schlucken.
    Ja, es hatte gehalten, dieses Band zwischen uns.
    Trotz allem.
    Glücklich lehnte ich meinen Kopf an seine Schulter, während er mich fester an sich zog. Eine Weile standen wir so beieinander, schweigend, doch verbunden in unseren Gedanken und Gefühlen.
    Und in dieser engen Traulichkeit kam mir eine wichtige Frage in den Sinn.
    »Drago?«

    »Ja, Ariane?«
    »Glaubst du, dass eine Geburt auf hoher See beschwerlich sein wird?«
    »Vermutlich schon. Sollten wir deiner Meinung nach früher aufbrechen als März nächsten Jahres?«
    »Ich denke, es könnte sich als günstig erweisen. Das allerdings überrascht dich nicht?«
    »Nein, es überrascht mich nicht.«
    Seine Umarmung wurde fester.
     
    Ich hatte mich umgezogen, ein legeres Hauskleid gewählt, denn wir wollten en famille in Dragos Suite zu Abend essen. Als ich meine Frisur richtete – mein Drache hatte sie ein wenig zerzaust -, fiel mein Blick auf den weißen Seidenschal, den George mir überreicht hatte, und ich erinnerte mich, dass ich mich dieses Problems auch noch annehmen musste. Ich nahm den rumal an mich und ging zu Drago hinüber. Er hatte ebenfalls wieder einen seiner chinesischen Seidenanzüge angelegt und schrieb an einem Brief. Es gab viel zu regeln, hatten wir kurz zuvor festgestellt.
    »TaiTai, du siehst so ernst aus!«, begrüßte er mich und stand auf.
    »Ich habe auch noch eine ernste Angelegenheit mit dir zu besprechen.«
    »Dann setz dich.«
    Er schob mir einen Stuhl an den Tisch, und ich legte das gefaltete Seidentuch vor ihn.
    »Was... oh, woher hast du das?«
    »George hat es mir übergeben.«
    »George?« Er schaute den rumal lange an.
    »Er hat einst Servatius gehört, nicht wahr?«
    »Ja, Ariane. Er hat seine Verwendung von einem indischen Seemann gelernt. Er war immer sehr aufgeschlossen allen neuen und fremden Künsten gegenüber. Aber gerade dieses Stück Seide...«

    »Er hat es Nona gegeben. Sie hat damit einmal LouLou vor einem Übergriff eines Rheinschiffers gerettet.«
    Mich wunderte, dass Drago es nicht in die Hand nahm und nicht berührte. Er betrachtete es nur.
    »Servatius war ein Mann, der in den Menschen das Beste oder das Schlimmste wecken konnte, Ariane. Ich weiß nicht, wodurch das passierte. Er hat in Charnay Besitzgier bis zum Wahnsinn ausgelöst, er hat in Ignaz und mir die Abenteuerlust geweckt, er hat LouLou zur erfolgreichen Tänzerin gemacht, Ai Ling zur Mörderin werden lassen, meinen Vater dazu getrieben, mich zu verstoßen, in George das Vertrauen zu mir geweckt, die
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